Rezension

Hinter verschlossenen Türen

Die Geheimnisse der Welt - Lisa O'Donnell

Die Geheimnisse der Welt
von Lisa O'Donnell

 

Isle of Bute, zu Beginn der 80er Jahre im Schottland der Thatcher Ära. Im Örtchen Rothesay lebt Michael, fast 12 Jahre alt, mit seiner Familie in einfachen Verhältnissen. Sein Vater Brian ist arbeitslos, wie so viele Männer in der öden Sozialbau-Siedlung, in der nur der örtliche Pub sowie Klatsch und Tratsch ein wenig Abwechslung bieten. Aus der Erzählperspektive des heranwachsenden Michael erfahren wir von seinen Geheimnissen. Tagebuchartig erzählt er uns von ersten Knutschereien, von versteckten „Nackiheftchen“ und seiner heimlichen Zuneigung zu der schönen Miss Connor, die er manchmal durchs Fenster beobachtet, wie sie tanzt. Und von der Freundin seiner Mutter, die sich manchmal mit einem verheirateten Nachbarn trifft. Doch auch die Erwachsenen haben Geheimnisse. Was passierte Michaels Mutter, als sie eines Abends verletzt nach Hause kommt? Doch wie immer, wenn über „Erwachsenendinge“ gesprochen wird, wird Michael aus dem Zimmer geschickt. Es bleibt ihm nur übrig, heimlich an der Tür zu lauschen und soviel wie nur möglich aufzuschnappen, von dem was geredet wird, wenn er nicht dabei ist. Auf seine Fragen erntet Michael nur Schweigen, so lauscht und beobachtet er weiter ...

Seine Mutter wurde im Park belästigt und überfallen, möchte die Tat aber aus Scham und Angst vor dem Gerede der Leute im Dorf nicht anzeigen. In der Folge wird Michaels Vater im Dorf als Schläger verdächtigt und zum Außenseiter. Obwohl er den Pub von nun an meidet, schaut er immer öfter ins Glas

Auch Michaels Mutter verändert sich, sie nimmt Kurse an der Volkshochschule und bildet sich weiter, aber vor dem was ihr geschehen ist gibt es auf diese Weise kein Entkommen.

Als eine weitere Frau Opfer des Sittenstrolchs wird, ist Michael wild entschlossen, die ganze Wahrheit ans Tageslicht zu bringen. Das schafft er auch, Stück um Stück. Und mit jeder kleinen Erkenntnis versteht er mehr von dem, was seine Eltern beschäftigt und wird mit jedem Schritt ein Stückchen erwachsener.

Mir hat der Roman sehr gut gefallen. In authentischer Weise wird eine sexuelle Gewalttat aus der Sicht eins Kindes erzählt, das, wie in den 80ern üblich, nicht aufgeklärt ist und sich seine Erfahrungen auf diesem Gebiet hart „erarbeiten“ muss – durch Belauschen der Erwachsenen, durch eigene Erfahrungen. Trotz aller Schwierigkeiten hält Michaels Familie auch in den schwersten Zeiten zueinander, was für alle Beteiligten, besonders für Michael, sehr wichtig ist. Am Ende entlässt uns die Autorin mit einem durchaus positiven und hoffnungsvollen Gefühl – ein einfach schöner Roman über das unvermeidliche Ende der Kindheit.