Rezension

Hip-Hop-Roman mit politischer Dimension

2001 -

2001
von Angela Lehner

Bewertet mit 5 Sternen

Mit „2001“ legt Angela Lehner ihren zweiten Roman vor. Das Jahr 2001 war in vielerlei Hinsicht ein globales Schicksalsjahr; zwanzig Jahre her und eine Welt entfernt. Die politischen Bezüge aus dieser Zeit bilden die Baseline für Lehners Geschichte. Und diese, das sei gleich zu Anfang gesagt:  „… ist nicht `Die Welle´ oder `Der Club der toten Dichter´“.

Der Roman spielt in „Tal“, einem Dorf in den Österreichischen Alpen. Touristen finden es toll hier, die Jugendlichen, die in der Schule den Anschluss verpasst haben und zum „Restmüll“, sprich Hauptschule, sortiert wurden, eher nicht. Julia lebt mit ihrem älteren Bruder in einem offenbar elternlosen Haushalt von Lebensmittelmarken. Einziger Lichtblick ist ihre „Crew“, beider Clique, die wie sie Hip Hop und Rap liebt. (Am Ende des Buches gibt´s übrigens eine Playlist, so dass man in die Welt der Crew auch hineinhören kann.) Um sich als künftiger Schulleiter zu profilieren, beginnt der Geschichtslehrer Julias ein Experiment, das ihre Klasse politisiert und polarisiert.

Lehner nutzt diese Coming-of-Age Geschichte, um einem rechten Österreich den Spiegel vorzuhalten. Sie zeigt, im dörflichen Alltag ebenso wie in Julias Schule: Nationalismus und Fremdenhass sind zwei Seiten einer Medaille. Viel Spott muss der Öschi aushalten: „Gratulation Österreich! Gratulation zu eurer Nationalität. Was für eine Leistung, dass euch der Himmel auf diesem Flecken herausgeschissen hat“, lässt Lehner eins der Crew-Mitglieder sagen. Die bislang stumpfe Julia beginnt, aufzuwachen. Wir sind ganz nah dran an diesem Prozess, denn die Geschichte wird aus ihrer Perspektive erzählt. Julia macht es uns nicht leicht mit ihrer Indifferenz und Passivität; selbst ihre Crew verzweifelt an ihr. Bis zuletzt hält dieser Spannungsbogen: Wird Julia die Kurve kriegen?

Das alles packt Lehner in einen rauen Jugendjargon. „Gusch, du Ratte!“ Sexismen, Rassismen, Beleidigungen durchziehen die Alltagssprache der Jugendlichen, die stark vom Hip Hop Slang beeinflusst ist. Mich hat das absolut nicht gestört, im Gegenteil, es trägt zum authentischen Sound des Textes bei;  Julia verleiht ihrem erzählten Leben damit ein bisschen Grunge Glam. Ich mag Lehners ironische Poesie, etwa, wenn Quasimodo, Julias Katze, eine Maus fängt: "Die Katzenschwanzspitze klopft in winzigen Bewegungen die letzten Herzschläge eines Wesens mit, das sich einbildet, sein Leben gehe noch ewig so dahin." Ich mochte auch die pointierten Dialoge und Lehners Wortwitz; oft habe ich geschmunzelt, manchmal sogar laut gelacht. Manche Szene wird bis zum Slapstick übersteigert. Humor in der Literatur ist so eine Sache, mich nervt er oft. Aber Lehner macht das ganz locker aus der Hüfte, jedenfalls wirkt es so. Dadurch liest sich der Text trotz seiner inhaltlichen Schwere leicht und äußerst unterhaltsam.

Neben der politischen Dimension habe ich den Roman als eine Ode an Resilienz, Freundschaft und, vor allem, an den Mut zu handeln verstanden.  "Wenn du etwas willst. Oder dir was wichtig ist. Man muss sich trauen. Man muss sich einfach nur im richtigen Moment trauen. Das ist alles“, lässt die Autorin Rapper Huckey zu Julia sagen. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Meine Empfehlung: Lesen! Auch (ältere) Teenager werden den Roman mögen.