Rezension

Hochspannung zwischen Mankell und Läckberg

Bittere Sünde - Liselotte Roll

Bittere Sünde
von Liselotte Roll

Bewertet mit 4.5 Sternen

Der Stockholmer Ermittler Magnus Kalo wird mit einem äußerst brutalen Mordfall konfrontiert: In einem Gartenhäuschen wurde der zeitlebens dem Alkohol zugeneigte Erik Berggren mit verbrühtem Unterleib und deutlichen Spuren von Folter aufgefunden. Obwohl mitnichten ein angenehmer Zeitgenosse, bestand doch keine akute Gefahr für Berggren aus dessen Umfeld, daher beginnt Kalo dessen Vergangenheit zu durchleuchten, wo er auf einen Fall von Vergewaltigung in Argentinien in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts stößt. Und ganz offensichtlich kommt er dem Täter dabei gefährlich nahe, denn seine Familie entgeht einem heimtückischen Anschlag nur knapp ...

Die studierte Meeresarchäologin Liselotte Roll präsentiert mit "Bittere Sünde" ihr Debüt als Thrillerautorin, wobei sie sich durch einen Aufenthalt in Argentinien zum Motiv inspirieren ließ. In genretypischer Manier wird in auktorialier Perspektive erzählt, wobei die Figur Magnus Kalo im Mittelpunkt steht. Die grobe Untergliederung in mehrere sogenannte Teile ist inhaltlich nur schwer nachvollziehbar. Außerdem werden abhängig von der erzählten Zeit die Tage genannt, an denen die Handlung spielt, was eine dritte Hierarchieebene einführt und somit nicht zur Klarheit beiträgt.

Die zahlreichen Kapitel lassen aufgrund ihrer Kürze von häufig nicht mehr als zwei Seiten nur wenig Raum, komplexere Sachverhalte zu konstruieren oder das Innenleben der Figuren auszugestalten. Stattdessen konzentriert sich die Autorin auf die Wiedergabe des Geschehens, der Stil wirkt stark visuell. Entsprechend fällt auch die Schilderung emotionaler Zustände aus: Gefühle sind nur so weit erkennbar, wie sie visuell darzustellen sind, differenzierte Regungen oder nuancierte innere Dialoge entfallen. Zudem erinnert die rasche Kapitelabfolge und die Perspektivenwechsel oft ohne erkennbare Notwendigkeit an die Dramaturgie des Kinofilms. Besondere Ausdauer als Qualifikation wird vom Leser definitiv nicht eingefordert, mit der Annäherung an ein zäsurendurchsetztes fernsehartiges Erzählen ist auch die Zielgruppe klar umrissen.

Daß der Boden für schwedische Kriminalliteratur bestens bestellt ist, dürfte der Autorin bekannt sein, immerhin ist spätestens seit Henning Mankell und Hakan Nesser bekannt, daß man einander im Heimatland von ABBA üblicherweise duzt und Mittsommer ausgiebig gefeiert wird. Ob bewußt als Stilmittel eingesetzt oder unbewußt Vertrautes verwendend, um den Alltag zu illustrieren, mit Elementen wie Zimtschnecken, Kautabak und stereotyp scheinenden Namen wie Erik Berggren entführt Roll mit geringem Aufwand die Leser in ihr Heimatland. In der Mischung aus brisanter Thematik und familiär orientierten Personenkonstellation nimmt sie dabei selbtstbewußt den Platz zwischen Mankell und Camilla Läckberg ein.

Tatsächlich wird der Gattin und den Töchtern des Kommissars Magnus Kalo viel Platz eingeräumt. Seine Familie erfüllt dabei zweierlei Funktion: Einerseits bietet sie ihm einen Rückzugsort, an dem er Zuneigung erfahren, Kraft tranken kann, andererseits erleben die Ermittlungen eine bedrohlich-persönliche Wendung, wenn diese Idylle durch Anschläge schwer erschüttert wird. Des Verdachts, ein nur grob skizziertes Gefühlsleben durch dessen größere Intensität kompensiert zu erleben, kann man sich beim Lesen nur schwer erwehren.

Fazit:
Was will dieser Roman?
Definitiv liegt es nicht in der Absicht der Autorin, sich mit detailliert ausgearbeiteten Charakteren in den literarischen Olymp zu schreiben oder die gesellschaflichen Probleme ihres Landes zu lösen. Kommt es ihr jedoch darauf an, den Leser mit spannender Unterhaltung an die Geschichte zu fesseln, so wird dieses Ziel mit ihrem Erstlingswerk bravourös erreicht: "Bittere Sünde" ist kein Roman für die Ewigkeit, sehr wohl jedoch Genuß für den Moment.