Rezension

Höchst emtionaler Jugendroman mit ernstem Hintergrundthema

All die verdammt perfekten Tage
von Jennifer Niven

„All die verdammt perfekten Tage“ ist ein äußerst emotionsgeladener Roman, bei dem alles anders kommt, als man zu Beginn denkt. Die Protagonisten sind mehr als sympathisch und die Handlung authentisch sowie dramatisch. Das perfekte Herzschmerz-Buch mit ernstem Hintergrundthema, das berührt und gleichzeitig erschüttert.

Die Story wird uns abwechselnd von den Protagonisten Violet und (Theodore) Finch nähergebracht. Dabei wird in den Überschriften immer darauf hingewiesen, wer nun gerade der Erzähler ist und wo wir uns zeitlich befinden. Das ist für den Leser sehr hilfreich, da es öfter mal zeitliche Sprünge gibt und man diese so nachvollziehen kann. Beide Darstellungen werden in der Ich-Perspektive erzählt, was zum einen die Emotionen schürt und zum anderen das Verständnis für den Charakter. Sowohl Violet als auch Finch sind sehr stille Charaktere, die viel mit sich selbst ausmachen. Schon von der ersten Seite an hat mich der lockere, dem Alter der Protagonisten angepasste und doch einfühlsame Schreibstil der Autorin mitgenommen. Ich konnte mich  zu jedem Zeitpunkt in die Charaktere hineinversetzen, was das Lesevergnügen noch um einiges gesteigert hat.

Wie schon erwähnt, sind beide Protagonisten sehr komplex. Mit Violet hat Frau Niven eine klassische Antiheldin erschaffen, die eigentlich alles hatte im Leben (Schönheit, Akzeptanz, Freunde) und durch einen Schicksalsschlag aus der Bahn geworfen wird. Man kann ihren Schmerz nachvollziehen. Auch die Vorwürfe und Schuldzuweisen sind so authentisch geschildert, dass man zwischendurch den Eindruck hatte, dass sie tatsächlich für die tragischen Taten im vergangenen Jahr die Schuld trägt. Im Verlauf der Geschichte kämpft sich Violet dank Finchs Hilfe wieder zurück ins Leben und die einzelnen Schritt – die mal größer und mal kleiner sind – kann man sehr gut nachvollziehen. Genrell musste ich über beide Protagonistin nie nachdenken und konnte sie in ihrer Gesamtheit einfach akzeptieren. Und dann ist da noch Finch. Er ist so facettenreich, dass man immer wieder eine neue Seite an ihm entdecken kann. Sein schreckliches Geheimnis offenbart sich erst Schritt für Schritt und ich war als Leserin von seinem Schicksal wirklich ergriffen. Man möchte ihm so gerne helfen und ist doch hilflos.

Die Nebencharaktere sind bewusst gewählt und positioniert. Gerade auf den Familien der beiden liegt ein großes Augenmerk. Wir haben hier ein klassisches Beispiel dafür, wie unterschiedlich jede Familie sein kann. Auf der einen Seite bekommen wir ein Negativbeispiel par exellence abgeliefert und auf der anderen Seite sehen wir, was wirkliche Familienbande bewirken kann, was sie heilen kann, wie sie einen wieder ganz machen kann. Die Freunde und Mitschüler von Violet & Finch sind teilweise Stereotypen und teilweise absolute Individuen. Ich denke, dass hier ganz bewusst so unterschieden wurde, um aufzuzeigen, auf wen es tatsächlich ankommt. Gernerell muss ich der Autorin ein dickes Lob für ihre Charaktergestaltung aussprechen, weil hier einfach alles stimmig war.

Die Spannung ist von Anfang an greifbar, denn wir werden bei diesem Roman wirklich MITTEN ins Geschehen hineingeworfen. Bei mir kam zu keinem Zeitpunkt Langeweile auf – im Gegenteil: Ich war total gefesselt und habe das Buch praktisch in einem Rutsch gelesen. Dabei haben die vielen überraschenden Wendung natürlich eine große Rolle gespielt.

Zwischendurch gibt es immer wieder Passagen, die voller Magie, Poesie und Worte sind. Die den Leser zum Träumen verleiten und zeigen, dass in Finch und Violet so viel mehr steckt als zwei minderjährige Teenager, denen das Leben übel mitgespielt hat. Gerade die Auswahl der Zitate aus berühmten literarischen Werken hat mir gut gefallen, denn sie war immer passend und hat die Dramatik der Situation oft unterstrichen.

Für mich ist es bisher (auch wenn das Jahr noch jung ist) ein Jahreshighlight, denn diese Geschichte hat für mich alles enthalten, was ich brauchte: authentische Charaktere, eine komplexe Story, ein erschütterndes und vor allem viel zu wenig diskutiertes Hintergrundthema und Gefühle, Emotionen und Echtheit. Gerade der Schluss hat es in sich und spätestens hier konnte ich mich mit meinem Tränen nicht mehr zurückhalten, denn ich war vom Schicksal der beiden wirklich und aufrichtig ergriffen. Ich habe mit Violet & Finch gelitten, geliebt, gelacht und getrauert. Eine Geschichte, die noch lange in meinem Gedächtnis bleiben wird.