Rezension

Hörbuch Rezension

Shantaram
von Gregory D. Roberts

Bewertet mit 3 Sternen

Gestaltung 
Bei Shantaram handelt es sich um den ersten Band einer Dilogie, also einer Reihe, die aus zwei Teilen besteht. Beide Hörbücher sind in einer CD Box untergebracht. Ihr kennt diese CD Boxen mit Sicherheit: Meist sind die Hörbücher hineingepresst und man bekommt die einzelnen Bände kaum aus der Box. Bei Shantaram hingegen bin ich von der CD Box sehr angetan. Ich muss sogar etwas aufpassen, dass mir die Hörbücher nicht aus Versehen herausfallen. Es ist aber unglaublich angenehm, eine CD Box zu haben, bei der man die Hörbücher entnehmen kann, ohne Angst haben zu müssen, die Hörbuch Hülle oder die CD Box zu zerstören.

Kommen wir nun zum Sprecher: Das Hörbuch wird von Jürgen Holdorf gelesen. Er hat eine tiefe Stimme, die auch etwas älter klingt. Zu Beginn hat es mich etwas verwirrt, weil ich so nicht recht wusste, wie alt unser Protagonist, den alle nur Lin Baba nennen, wirklich ist.
Ich hatte mich aber schnell an Holdorfs Interpretation der Geschichte gewöhnt. Besonders gut gefallen haben mir die Darstellungen mancher Charaktere, denen er den indischen Akzent gegeben hat. Außerdem hat er Lins Einsamkeit stimmlich gut herausgearbeitet.
Bei der Gestaltung gibt es also eine volle Punktzahl.

Inhalt
Der Inhalt von Shantaram verwirrte mich etwas. Einerseits fand ich den Anfang unglaublich stark. Normalerweise lernen wir einen Protagonisten ja am Anfang der Geschichte oder während der Krise kennen, die er in der Geschichte durchleben und verarbeiten muss. Unser Protagonist Lin Baba hat hier das erste und wichtigste Kapitel seines Lebens aber schon hinter sich: Er ist aus einem australischen Gefängnis ausgebrochen. Dort saß er wegen mehrer Raubüberfälle eine lange Haftstrafe ab. Diese hatte er begangen, um seine Heroinsucht zu finanzieren. Von seiner ersten Krise bekommen wir also überhaupt nichts mit. 

Was mich also verwirrte war Folgendes: Ich wusste lange nicht, worauf die Handlung in Shantaram hinausläuft. Wir begleiten Lin wie er sich in Indiens Hauptstadt orientiert und erste Kontakte knüpft. Dann scheint sich die Geschichte in zwei Handlungsstränge aufzuteilen, die fließend ineinander übergehen, aber nacheinander abgearbeitet werden.

Lin freundet sich schnell mit dem einheimischen Prabaker an. Prabaker ist Stadtführer und zeigt Lin nicht nur die beliebten Plätze der Touristen, sondern auch Plätze von Indien, die den Touristen eher verborgen bleiben. So lernen wir als Leser die indische Kultur etwas besser kennen, beginnen Verhaltensweisen zu verstehen und vielleicht im Ansatz auch besser nachvollziehen zu können. Dieser Handlungsstrang zeigt uns das alltägliche Leben in Prabakers Heimat. Mir hat dieser Teil der Geschichte sehr gut gefallen, weil wir hier in eine fremde Kultur eingeführt werden und scheinbar banale Erlebnisse für viel Bewegung innerhalb der Handlung sorgen und die Eigenschaften unserer Charaktere auch gut hervorheben.

Doch leider deutete sich schnell ein anderer Handlungsstrang an. Lin lässt sich mit zwielichtigen Gestalten ein. Hier kommt es zu verschiedenen Machtkämpfen innerhalb und außerhalb Indiens. Zum einen erstaunte mich hier, wie naiv Lin an die Sache heranging. Da er bereits im Gefängnis war, wunderte es mich, dass er die Machtstrukturen von Banden nicht zu durchschauen schien oder nicht wahrnahm, wann die Gruppen begannen, ihn zu vereinnahmen. Teilweise war er von Intrigen betroffen, brauchte aber - übertragen auf das Hörbuch - Stunden um dahinterzukommen, während ich schnell wusste, wer ihm hier Böses wollte. Ich ertappte mich auch dabei, wie er mir als Protagonist stellenweise auf die Nerven ging, weil ich eine völlig andere Herangehensweise bzw. Vorstellung davon hätte, wie ich seine Probleme lösen würde, wenn ich in einer ähnlichen Situation wäre. So bin ich davon ausgegangen, dass er froh ist, es aus dem Gefängnis heraus geschafft zu haben und das sein Interesse daher sehr gering ist, sich wieder mit kriminellen Leuten einzulassen. Hingegen schien das für ihn kein großes Problem darzustellen.

Zudem begann ich etwas über das Buch zu recherchieren und fand heraus, dass Gregory David Roberts selbst über mehrere Jahre in Indien gelebt hat und ebenfalls aus dem Gefängnis ausgebrochen war. Shantaram ist vermutlich also eine Art Autobiografie. Allerdings bin ich mir unsicher, ob es sich wirklich um eine Autobiografie handelt, oder Fiktion und Wahrheit hier miteinander vermischt werden.

Wenn wir also mal davon ausgehen, dass das Buch größtenteils fiktiv ist, könnte ich anmerken, dass es den kriminellen Handlungsstrang für die Geschichte meiner Meinung nach nicht gebraucht hätte. Außerdem enthielt Shantaram ein paar Längen, die man aber schlecht kürzen konnte, da sie für den Gesamtzusammenhang der Geschichte wichtig sind.

Wenn es sich hier aber wirklich um eine Autobiografie handelt, kann ich diese Punkte nur bedingt kritisieren, weil er ja nur sekundär etwas dafür kann, wie sein Leben verlaufen ist. Er hat es schließlich so niedergeschrieben, wie es war. Und wenn ich diese Theorie zu Ende denke, gibt uns Shantaram sehr spannende Einblicke in sein Leben bzw. in das Leben von Lin Baba. An entscheidenden Stellen beginnt er häufig zu zweifeln und man merkt hier, dass ihm Ressourcen fehlen. Und diese Aspekte fand ich ebenfalls gut herausgearbeitet.

Spannung
Der Spannungsbogen war hier durchaus gemischt. Es gab Phasen, die ich als ruhig und teilweise langatmig empfand und dann gab es Momente, in denen ich unbedingt wissen wollte, wie es bei Shantaram weitergeht.

Gegen Ende gab es auch Szenen, die wahrscheinlich dazu dienen sollten, den Höhepunkt des Spannungsbogens darzustellen. Diese Szenen betrachtete ich etwas augenrollend, weil ich das Gefühl hatte, dass sie sich vom eigentlichen Inhalt der Geschichte entfernten und eine Wiederholung von vorangegangener Szenen waren.

Schreibstil 
In der ersten Hälfte des Buches gefiel mir Gregory David Roberts Schreibstil wirklich gut. Er tritt während der ganzen Handlung als allwissender Erzähler auf und berichtet immer wieder von seiner Vergangenheit oder deutet an, dass Ereignisse in der Gegenwart schwierige Auswirkungen auf seine Zukunt haben. Mich machte das ziemlich neugierig auf die Geschichte des Lin Babas.

Allerdings begannen mich einige Elemente des Schreibstils zunehmend zu nerven. Ich habe ja bereits von den Längen im Roman berichtet. Diese kommen unter anderem zustande, weil uns Protagonist Lin viel über die Charaktere erzählt, denen er begegnet. Er trifft auf eine Person und schildert uns erst einmal in einem kurzen Abriss deren Biografie. So sollen die Charaktereigenschaften der Person geklärt werden. Ich hätte es schöner gefunden, wenn die Eigenschaften der Person im Kontakt mit Lin dargestellt werden. Außerdem sorgte das Element dafür, dass ich nicht wusste, welche Charaktere jetzt wichtig waren und welche nicht.

Gregory David Roberts überzeugt in Shantaram aber auch mit vielen sprachlichen Bildern, die uns Indien, seine Kultur etwas näher bringen. Gerade im ersten Teil von Shantaram hat mir die Atmosphäre sehr gut gefallen.

Gesamteindruck
Der Anfang von Shantaram hat mich sehr fasziniert und neugierig auf die Geschichte gemacht. Allerdings flachte die Handlung für mich mit der Zeit etwas ab und ich fragte mich, warum unser Protagonist so viele Umwege gehen muss. Allerdings spiegelt das natürlich auch das Leben.

Das Hörbuch ging mir fast etwas zu lang. Es hat eine Laufzeit von etwa 45 Stunden. Und ich kann wirklich nicht ganz nachvollziehen, woran das liegt, dass mich die Länge hier gestört hat. Schließlich höre ich immer wieder längere Hörbücher. Wie bereits erwähnt, lässt sich der Inhalt jedoch schlecht kürzen.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass Shantaram spannende Elemente enthält und ich wahrscheinlich auch in den zweiten Teil rein hören werde. Ich empfehle bei der Lektüre nicht den Mut zu verlieren und das Buch einfach zu pausieren, wenn einem die Geschichte über den Kopf wächst.