Rezension

Hohes Potenzial wird durch Einseitigkeit verschenkt

Die Alchemisten - Neil Irwin

Die Alchemisten
von Neil Irwin

Bewertet mit 2.5 Sternen

Das eindrucksvolle erste Drittel verkommt im weiteren Verlauf zu einem unreflektierten Portrait. Schade!

Eigentlich hätte es einem der Titel bereits suggerieren können. Die Alchemisten - im Mittelalter von der herrschenden Kirche teils verpönt, teils geduldet; von weltlichen Herrschern im (Aber-)Glauben an die berühmte Verwandlung von Metallen zu Gold, häufig mit einem Platz bei Hofe beehrt, widmen sie sich geheimnisvollen Künsten, die der uneingeweihte "Pöbel" nicht versteht und niemals verstehen können wird.

So geht es in dem Sachbuch Die Alchemisten von Neil Irwin (seines Zeichens Journalist bei der New York Times) um die Klasse der Zentralbanker, von Bernanke über Trichet, hin zu Allister King, deren Geschäft dem der historischen Alchemisten ähnelt. Auch sie schaffen scheinbar aus dem Nichts Geld und das in einem derart komplizierten Finanzsystem, dass dem Laien schon bei dem Versuch es komplett zu durchblicken, Hören und Sehen vergeht. Das Buch ist chronologisch aufgebaut, wobei es im ersten Drittel um die Entstehung von Zentralbanken bis zu ihrer Krise im Jahr 2006 geht. Die folgenden Kapitel beschäftigen sich dann mit der weiteren Entwicklung bis heute. Es leuchtet dabei ein, dass die Zeitabschnitte bei gleichbleibendem Umfang der Kapitel immer kleiner werden, da dass Geschäft der Zentralbanken einerseits an Präsenz und andererseits an Komplexität stark zugenommen hat.

Das erklärte Ziel des Buches ist es, die drei genannten Notenbankchefs zu portraitieren und ihr Geschäft erfahrbar und dadurch nachvollziehbarer zu machen. So sehr dies dem Autor auch dank der wirklich guten Recherche gelingt, kommt der kritische Leser nicht umhin einiges zu bemängeln. Besonders das erste Drittel ist wirklich interessant und es sei jedem empfohlen, der sich für diese Thematik interessiert, da einmal hereinzulesen.

Allerdings geht während der weiteren Lektüre das Gefühl nicht verloren, dass der Autor an diesen Bankern durch dieses Buch eine Art Götzendienst treibt. Sie werden absolut unkritisch als Heilande dargestellt, welche aus den Fehlern ihrer Vorgänger gelernt haben, alles besser machen und für die Entwicklung der Menschheit zu höherem Wohlstand und einer besseren Lebensweise unabkömmlich sind. Der Tenor des Buches scheint an manchen Stellen sogar zu sein: "Es ist nicht schlimm, wenn das der Pöbel nicht versteht. Die Notenbankchefs haben den Durchblick und kümmern sich um alles."

Es wird keinerlei Kritik an dem bestehenden Finanzsystem erhoben und die Zusammenbrüche die es erlebt hat, werden nicht etwa auf das Kranken des Systemes insgesamt geschoben, sondern allein auf die geldpolitischen Fehler der ehemaligen Notenbankchefs. Mit andern Worten: Es wäre alles besser gelaufen, wenn schon immer so fähige Menschen die Banken geleitet hätten, wie gegenwärtig. 2,5 Sterne daher für die gute Recherche, den angenehmen Lesefluss durch einen nüchternen Schreibstil und das wirklich sehr starke erste Drittel. Die Kritiklosigkeit stößt einem jedoch zwangsläufig sauer auf und hemmt das Lesevergnügen immens.