Rezension

Hohes Tempo, einige Kotzbrocken, interessante Diskussionen

Stille Nacht -

Stille Nacht
von Dana Müller-Braun

Bewertet mit 4 Sternen

Mein erster Eintracht Frankfurt-Krimi des Autorenduos Dana und Ulrich Müller-Braun: Stille Nacht. Das muss ein Fest für jeden Eintracht Fan sein, geht es doch um Fußball; aber nicht nur. Das Tempo jedenfalls ist sehr hoch und nach wenigen Seiten hat mich das Autorenpaar doch fast aufs Glatteis geführt, da ist tatsächlich ein witziger Schreibfehler, ein Zeiten- und Datums-Dreher drin, der mich zunächst verdutzt zurück ließ. Wo genau das ist? Das verrate ich nicht.

Was sind die Zutaten für diesen Krimi? Fußball, Terrorismus, Geiselnahme, Männerfreundschaft, Altherrengehabe, Liebe, Krieg, Machtgelüste, Familientragödien und Weihnachten. Wow, das ist eine Mischung, die es krachen lässt. Fast sieht man Bruce Willis völlig zerkratzt und blutig sich auf dem Boden windend die übliche Bombenentschärfung durchführen. Doch zum Anfang.

Es ist der 23. Dezember 2020. Es herrscht der erste Lockdown, praktisch alles ist verboten. Sogenannte Coronatests gibt es noch nicht in der Fülle wie Heute, und trotzdem wagen es einige zu

feiern oder sich zu treffen. Zum Beispiel Severin und seine Freunde, die den Tod eines Kumpels gedenken wollen. Und auch in den Geschäfträumen von Eintracht Frankfurt wollen die Sektkorken knallen, schließlich ist Weihnachten, da will man sich nicht lumpen lassen. Als Severin und seine Kumpels eben dort nachschauen wollen, wo Severins bester Freund Tim bleibt, knallt eher etwas anderes. Schwarz gekleidete Gestalten treiben Geiseln vor sich her, Severin ist zunächst wie gelähmt, als er merkt, dass auch Tim unter den Geiseln ist und fährt den Gangstern nach der Schockstarre hinterher.

Lydia, vielleicht verliebt in Severin und Pressesprecherin der Eintracht, soll helfen, das Chaos zu entwirren und den Verbrechern auf die Spur zu kommen. Denn sie ist die Letzte, zu der Severin Kontakt hatte, bis auch er spurlos verschwindet. Bis hierhin fand ich es spannend und originell, doch dann tritt erst Kommissar Fräulein auf, ja, richtig, da meint jemand, eine junge Frau mit Fräulein anzusprechen, und dann noch Kommissar Oberwichtigmächtig. Boah, wenn wirklich jemand in einer so wichtigen Position dermaßen auftritt, dann kann etwas mit dessen Selbstbewusstsein nicht stimmen. Da frage ich mich, wie so eine Person überhaupt einen Job bekommen kann. Ein richtiger Kotzbrocken, der mir fast die Lust am Weiterlesen genommen hätte. Aber es ist ja ein Roman, und so hoffe ich mal, dass in der Realität besonnenere Köpfe walten würden.

Sehr interessant sind aber nun erstens die Geschichte zwischen Lydia, ihrem Vater und der lange vermissten Mutter und zweitens die zwischen Severin und einer der Geiselnehmer. Severin selbst macht sich im Krimi oftmals schuldig. Einmal schlägt er voller Wut und Verzweiflung mit der eigenen Hand zu, dann übernimmt das jemand anderes für ihn. Ein Geiselnehmer scheint brutal und rücksichtslos, handelt aber voller Verzweiflung, ob seiner eigenen Story. Hier wird gerungen zwischen Schuld und Unschuld. Wie oft kann man, muss man schuldfrei Dinge tun, um andere zu retten? Gehören Geseilnahme und Bomben legen dazu? Wo ist die Trennlinie zwischen Gut und Böse? Kann es die geben? Was kann man verzeihen, was dulden? Zu welchem Zeitpunkt wird man gezwungen, ist man nicht mehr Herr seiner selbst? Diese Diskussion zieht sich durch den Krimi; und das bei hoher Geschwindigkeit. Es ist auch eine Diskussion um unsere Vorurteile, vor denen keiner von uns gefeit ist.

Am Ende ist man selbst ganz außer Puste und weiß doch nicht, was der richtige Weg wäre. Einen kleinen Blick Richtung Zukunft wagt das Autorenduo noch, nicht wissend, dass bereits ein unfassbarer Krieg im Gang ist, der alles noch mal viel stärker verändert, als es die Coronakrise bereits getan hat. Ganz klar: Ein Krimi nicht nur für Eintracht-Fans und alle, die sich gut in Frankfurt auskennen.

Unter anderem auf folgenden Seiten erfährt man mehr über die Autoren und ihre Bücher: https://societaets-verlag.de/autor/ulrich-mueller-braun/ https://societaets-verlag.de/autor/dana-mueller-braun/