Rezension

Hommage an Gothic Novels

Die stummen Wächter von Lockwood Manor - Jane Healey

Die stummen Wächter von Lockwood Manor
von Jane Healey

Bewertet mit 5 Sternen

Dieses Buch wird sicherlich polarisieren. Wer einen knappen, modernen Stil bevorzugt, der nur eine kurze Aufmerksamkeitsspanne erfordert und eine actiongeladene Handlung erwartet, wird unweigerlich enttäuscht werden. Stattdessen arbeitet die Autorin immer wieder mit raffinierten Schachtelsätzen, die zwar nicht Proustsche Länge erreichen, aber doch herrrlich an die brillianten Klassiker längst vergangener Zeiten erinnern. Sie schafft atmosphärisch-dichten, subtilen Grusel, der mit seinen Elementen bewusst immer wieder die Gothic Novels der Epoche der Schwarzen Romantik zitiert. Wer diese wie ich liebt, wird von diesem Buch dagegen genauso begeistert sein, wie ich es war.

Die junge Hetty führt ein ereignisarmes, einsames Leben in London Ende der Dreißiger Jahre. Sie geht auf in ihrem Beruf, bei dem sie die Säugetierabteilung eines Historischen Museums leitet. Dessen Exponate sind hauptsächlich ausgestopfte Tiere, mit denen Hetty jedoch lieber umgeht als mit ihren Kollegen.

Kriegsbedingt wird die Sammlung auf das herrschaftliche Lockwood Manor verlegt. Doch anscheinend ist sie dort weniger sicher als in London: Tiere wechseln auf geheimnisvolle Weise ständig die Plätze, verschwinden ganz oder werden gar verstümmelt. Ebenso seltsam wie diese Ereignisse sind die Bewohner von Lockwood Manor: der frisch verwitwete Major, dessen exotische Frau kürzlich auf mysteriöse Weise ums Leben kam, dessen Liebschaften, seine schöne, aber wenig belastbare Tochter Lucy und eine Heerschar von Dienstboten.

Während Hetty in Lucy eine Freundin findet, wird sie immer tiefer in die Rätsel des düsteren Herrenhauses hineingezogen, denn die Schatten der Vergangenheit reichen bis in die Gegenwart und bedrohen nicht nur Lucy, sondern auch Hettys geliebte Sammlung. Die ausgestopften Tieren werden dabei zu den titelgebenden stummen Wächtern von Lockwood Manor. Sie finden sich auch passenderweise auf dem wunderbar färbenprächtigen Cover, das sofort ins Auge fällt.

Verschwundene Räume, Spuk, Wahnsinn und menschliche Abgründe: Ich hatte große Lesefreude daran zu rätseln, ob sich alle Geheimnisse auf natürliche Weise aufklären würden oder echte Geister Lockwoods Flure unsicher machen. Ich werde auf jeden Fall nach weiteren Büchern von Jane Healey Aussicht halten.