Rezension

Hübsch - aber unerheblich. (Holt ist keine Idylle).

Abendrot
von Kent Haruf

Bewertet mit 4 Sternen

Im Prinzip - schreibt Kent Haruf mit seiner Holtreihe ein hübsches Stück Literatur und Geschichte. Erreicht hat mich das Buch nicht ganz, es ist zu ähnlich dem, was ich schon oft gelesen habe. Bei Steinbeck, Williams, etc. Man hat ausserdem das Gefühl, man sei im Western, - bloss die Cowboys und die Schiessereien fehlen. Was weiter zu sagen wäre, steht in der Rezension:

LEBEN IN COLORADO. HOLT IST KEINE IDYLLE.
Im fiktiven Ort Holt, Colorado, ist das Leben kleiner Leute im Mittelwesten das Thema des Autors. Dort leben vor allem einfache Viehzüchter, Farmer und Händler. In sechs, lose zusammen hängenden Romanen beschreibt der Autor seine Heimat. „Abendrot“ ist einer davon.

Wir befinden uns wohl in den 50er bis 60er Jahren des vergangenen zwanzigsten Jahrhunderts.

Ganz unsentimental stellt der Autor sein Personal auf, beschreibt akribisch das Kleinstadt –und Farmerleben. Das Vieh geht immer vor, denn es sichert den Lebensunterhalt. Bitter ist das Versteigern von liebevoll handaufgezogenem Vieh, den Jährlingen, die für den Schlachter bestimmt sind: das kann man nur mit steinerner Miene ertragen. Gefühle lässt man am Besten nicht raus. Das wäre gefährlich. Gleichzeitig bietet die Viehbörse ein wenig Abwechslung vom rauen Farmerleben.

Mit jeder Zeile merkt man, wie sehr der Autor sein Land und seine Leute liebt. Er schreibt von einem harten Menschenschlag, denn das Land verlangt den Menschen viel ab. Sie sind stolz, oft unbeugsam, lassen sich nicht gerne helfen und beissen auch bei Schicksalsschlägen die Zähne zusammen und machen irgendwie weiter. Doch gibt es, wie überall, auch die anderen: die nichts auf die Reihe kriegen oder sie sind rücksichtslos und lassen den Frust eines misslungenen Lebens an ihren Mitmenschen aus.

Wer mehr vom Leben will, muss weg. Dabei zerreissen liebevolle, soziale Bindungen.

Leidtragende des struktur- und bildungsschwachen Landstriches sind letztlich die Kinder: Sei sind, je nach sozialen Verhältnissen, dazu verdammt, das Leben kleiner Erwachsener zu führen. Sie werden vernachlässigt, sind geliebt, aber nicht geborgen. Ihre Angehörigen wollen das Beste für sie, sind aber nicht imstande, ihnen dabei zu helfen. Sie leben wild und frei und manchmal sind sie die Beute menschlicher Raubtiere.

Die Schreibe von Kent Haruf erinnert verdammt an John Steinbeck. Dabei ist Steinbeck politisch in seinen Themen. Haruf aber kaum.

Und das ist die Kritik: Haruf hätte aufgrund seiner Lebensdaten (1942 bis 2014) seine Geschichten aktueller gestalten können. Weniger betulich in seinem Stil und weniger vergangenheitsorientiert. Wovon er schreibt, das kennen wir schon! Die harten Jahre des mittleren Westens sind abgegrast. Das ist Schnee von gestern. Daran können auch die schön konturierten, aber auch ein wenig plakativen Figuren des Romans nichts ändern.

Das Landleben im Mittleren Westen ist bar jeglicher Romantik gewesen. Es ist hart bis grausam, hat aber einen dickköpfigen, stolzen Menschenschlag hervorgebracht, dem der Autor sich verbunden fühlt. Er schreibt in klassischer, charmanter Manier über kleine Verhältnisse in einem großen Land.

Fazit: Schön, Kent Haruf endlich übersetzt zu lesen. Allerdings ist es auch ein wenig spät für diese Art von Literatur. Die Übersetzungen hätten deutlich früher auf den deutschen Markt gehört. Was fehlt ist der literarische Gegenwartsbezug.

Kategorie: Belletristik
Verlag: Diogenes. 2019; erstaufgelegt: 2004

Kommentare

Emswashed kommentierte am 02. Februar 2019 um 09:18

2004 ist aber auch noch nicht lange her... vielleicht die 80er, als noch Dallas und Denver im TV liefen?

wandagreen kommentierte am 03. Februar 2019 um 22:44

Das stimmt auch wieder. Warum schreibt der Autor so was Vergangenheitsbezogenes? Dabei wäre was Aktuelles viel interessanter.

Corsicana kommentierte am 06. Februar 2019 um 12:24

Also, ich mag das immer während Vergangenheitsbezogene bei Haruf. Ich mag auch Steinbeck und empfinde diese Autoren als "Klassiker". Und leider sind die Probleme, die Haruf beschreibt, keinesfalls aus der Welt. Es gibt weiterhin bildungsferne Eltern, die ihre Kinder zwar lieben - aber nicht erziehen können. Und Einsamkeit ist ein Thema, das sogar immer aktueller wird.
Ich finde es zwar auch schade, dass Haruf jetzt erst in Deutschland richtig entdeckt wird. Aber vielleicht passt es auch, weil die Sehnsucht nach etwas authentischem, unverfälschten größer wird?

wandagreen kommentierte am 10. Februar 2019 um 08:49

Im Prinzip gebe ich dir recht. 

Ich mag/mochte Steinbeck auch sehr, er gehört zu meinen Lieblingsautoren.

Aber ... die Lebensdaten von Haruf passen (mir) nicht. Momentan würde ich mich mehr für die Gegenwart interessieren. Und ich finde, er hätte gut und gerne einen Vergleich dazu herbei schreiben können.

Ja, so oder so: schreiben kann er und man kann seine Bücher durchaus lieben und seine Geschöpfe, die durch und durch originell sind und liebenswert. Deshalb hat das Buch ja auch vier Sterne bekommen und wenn es sich auch so anhören mag - meine Rezension ist kein Verriss.