Hübsch, rührend, witzig
Bewertet mit 4 Sternen
England ist ziemlich weit weg von Verona, auch wenn „Romeo und Julia“ noch immer auf Jessicas Leseliste steht.
Hier erzählt Jessica Vye ihre Geschichte. Sie ist 13 Jahre alt, eigen, nachdenklich und will Schriftstellerin werden. Sie sagt, sie hätte eine Gabe. Sie weiß, was die Menschen um sie herum wirklich denken. Auf jeden Fall ist sie sehr direkt und eckt damit an. Die meisten Menschen können sie nicht leiden, sagt sie. Ich mochte sie sehr. Es ist herzerfrischend und sehr komisch, wie sie über ihren Alltag, ihre Lehrer und ihre verrückte Familie berichtet.
Es ist Krieg, Zweiter Weltkrieg in England. Jessicas Alltag scheint das allerdings kaum zu berühren, was mich ein wenig irritiert hat. Man trinkt Ersatzkaffee und hantiert mit Lebensmittelmarken, ansonsten spielt das Kriegsgeschehen nur ganz gelegentlich eine Rolle.
Natürlich nehmen Kinder eher Umstände als gegeben an als Erwachsene, aber Jessica ist kein Kleinkind mehr, klug und nachdenklich obendrein, da könnte man ein wenig mehr Angst vor den Grauen des Kriegs erwarten. Als eine Bombe ihre Schule getroffen hat, geht sie halt wieder nach Hause.
Was sie hauptsächlich bewegt ist die Frage, könnte sie wohl eine Schriftstellerin sein oder bildet sie sich nur zu viel ein? Ihre Englischlehrerin hat deutlich keinen Sinn für Originalität und gibt sich alle, Mühe, Jessica in ihre Schranken zu weisen. Das wäre höchst frustrierend, gäbe es nicht noch Miss Philemon, die, eigentlich schon in Rente, noch immer aushilfsweise unterrichtet und fast wie Mary Poppins immer zu Krisenzeiten aus dem Nichts kommt und Jessica den Rücken stärkt. Das ist zauberhaft und witzig, auch wenn es dem Ganzen eine leicht märchenhafte Note gibt.
Am Ende wartet noch eine höchst originelle Überraschung. Man hat das Gefühl, ein wirklich hübsches Buch gelesen zu haben. Es ist schön erzählt, spitzfindig und mit viel Humor, liest sich leicht, fesselt, rührt. Es fehlt nur eine Winzigkeit Irgendwas zu einem genialen Buch.