Rezension

Humorvolle Unterhaltung mit Tiefgang und viel Gefühl

»Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten« und »Einladung zum Klassentreffen« - Martin Schörle

»Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten« und »Einladung zum Klassentreffen«
von Martin Schörle

Bewertet mit 4 Sternen

Man muss nicht unbedingt ein Kenner oder Freund von Theater sein, um bei diesem Büchlein auf seine Kosten zu kommen. Mit "Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten" und "Einladung zum Klassentreffen" hat man hier zwei sehr unterschiedliche Theaterstücke in einem Buch.

"Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten" ist quasi ein Monolog. Hans Fredenbek, eben jener Beamter, erzählt dem Publikum aus einem Leben. Ein Ein-Mann-Stück sozusagen. Ich musste teilweise an Comedians denken, die ja auch eine Ein-Mann-Show hinlegen. Und - noch viel wichtiger - ich musste streckenweise auch mindestens so sehr lachen wie bei einer Comedyshow. Der Autor haut in diesem Stück ein sprachliches Kunstwerk nach dem anderen raus. Seine Wortwahl ist sehr umfassend und - Hans Fredenbek ist nun mal Beamter durch und durch - auch etwas verschachtelt und manchmal nicht so leicht zu lesen. Aber seine Wortschöpfungen sind wunderbar. Beispiel gefällig? "mediterrane Barfußläufigkeit". Oder die Abkürzung "VBB", die für "Vollkommene Beamtenbefriedigung" steht. In diesem Theaterstück hat Martin Schörle wirklich sprachlich aus dem Vollen geschöpft. 

Aber: es ist nicht nur lustig. Denn eigentlich ist der Hans Fredenbek eine arme Socke. Er lebt für seinen Beruf, für sein Beamtentum und lässt dafür sämtliches Privatleben links liegen. Für ihn ist sein Büro das echte, wahre Leben während er mit dem Leben außerhalb nicht (mehr) zurechtkommt. 

Die langen, mit vielen "..." bedachten Sätze mit den teils recht komplizierten Wortkombinationen und Gedankensprüngen und Zwischensätzen macht es nicht gerade zu einer leichten, flüssig lesbaren Lektüre. Also nichts für mal eben zwischendurch und auf die Schnelle. Ich musste es zwischendurch mal zur Seite legen, um das bisher gelesen sacken zu lassen und so Raum für den nächsten Abschnitt zu schaffen. Sonst führte das - bei mir zumindest - zu einer leichten Überforderung.  

Das zweite Theaterstück, "Einladung zum Klassentreffen", fand ich tatsächlich sogar noch besser als den "Beamten-Monolog". Hier konnte ich mir das Bühnenbild und das Stück so richtig gut vorstellen und habe tatsächlich auch richtig Lust bekommen, es "so richtig" zu sehen. Hier spielen ein paar mehr Menschen mit, auch wenn die Hauptpersonen Marina und Carsten den Großteil zu zweit bestreiten. Und zwar mittels eines Telefonats. Beide waren vor mehr als 20 Jahren ein paar und hören sich heute zum ersten Mal wieder... eben deswegen, weil Carsten das Klassentreffen organisiert und alle Ehemaligen zusammentrommelt. Das Gespräch ist sehr emotional, sehr lustig, sehr schön und einfach nur gut! Ich konnte mich sofort in die beiden hineinversetzen und die Art und Weise, wie der Autor diese Liebesgeschichte aufbaut, ist wirklich mehr als gelungen. Große Gefühle, viel Humor aber auch viel Schmerz. Ganz wunderbar. 

Von mir gibt es für das Buch insgesamt 4 von 5 Sternen und ich kann es wirklich guten Gewissens weiterempfehlen - nicht nur Theaterliebhabern sondern all denjenigen, die sich gerne kurzweilig aber dennoch mit Tiefgang unterhalten lassen. 

https://julaniprodukttests.blogspot.com/2020/02/buchrezension-nichtalltagliches-aus-dem.html