Rezension

Hungerwinter in Hamburg

Der schwarze Winter -

Der schwarze Winter
von Clara Lindemann

Bewertet mit 4 Sternen

Ich habe mich im letzten Jahr an Romane aus der Kriegs- und Nachkriegszeit herangetastet und gefallen an dem Genre gefunden, das oft mutige, fast schon heldenhafte Schicksale beschreibt und mit einer Eindringlichkeit erzählt, die noch lange nachklingt. "Der schwarze Winter" erzählt nun gut recherchiert und eindringlich die Verhältnisse der Nachkriegszeit in und um Hamburg. Die Handlung ist allerdings für meinen Geschmack relativ vorhersehbar und oberflächlich geblieben.

Zum Inhalt: Silke und Rosemarie schlagen sich nach dem krieg mit Aushilfsjobs durch, nachdem sie aus ihrem Zuhause vertrieben wurden. Als sie auf einem Bauernhof vom ansässigen Bauern belästigt werden flüchten sich die beiden Frauen Richtung Hamburg. Durch die Hilfe von Hans dem Krüppel, der die beiden Frauen unter seine Fittiche nimmt, gelingt es ihnen in Hamburg Fuß zu fassen und eine Bar für die britischen Soldaten zu eröffnen. Doch nicht jeder gönnt ihnen diesen Erfolg und schnell werden sie zur Zielscheibe von Verbrechern, die es auf alles abgesehen haben, was die beiden Frauen besitzen.

Die Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit und Trostlosigkeit wird gut rübergebracht. Die beiden Frauen mühen sich damit, eine Partei unterstützt zu haben, die Deutschland zerstört hat und somit auch ihnen selbst die Lebensgrundlage genommen hat. Mit den neuen Verhältnissen finden sie sich nur schwer ab, man merkt, dass sie eigentlich aus gutem hause stammten. Trotzdem geben sie nicht auf und versuchen sich erneut ein Zuhause und ein Leben aufzubauen. Und obwohl die beiden Frauen so im Fokus der Handlung stehen, bleiben sie doch recht blass und unnahbar. So wie eigentlich alle Personen im Buch nur scheinbar nur Statisten für das übergeordnete Bild sind. Das Buch hatte viel Potential Beziehungen, Freundschaften und Bündnisse zu schildern, aber dieser Teil der Geschichte kommt in meinen Augen einfach viel zu kurz.

Das Buch macht viele "Baustellen" der Nachkriegszeit auf: Besetzung, Hungersnöte, Schwarzmarkt, Verbrecherbanden, Zwangsprostitution, Suche nach Angehörigen. Das ist alles ganz schön viel schwere Kost für so ein Buch und durch die Fülle an Themen wird einfach nicht so richtig in die Tiefe gegangen. Vielmehr werden diese Themen angerissen und nicht weiterverfolgt. Besonders Hans, der ein bemerkenswerter Mann zu sein scheint, bekommt zu wenig Raum für sich und seine Geschichte. Über ihn hätte ich gerne deutlich mehr erfahren.

Das Buch ist gut geschrieben und einfach zu verstehen, sodass man der Handlung leicht folgen kann. Es wird nichts geschönt, aber auch nichts übertrieben schaurig dargestellt. Man merkt, dass das Buch gut recherchiert ist, allerdings habe ich keinen Hinweis gefunden, ob es auf realen Personen beruht, daher nehme ich an, es ist komplett fiktional.

Mich konnte das Buch nicht völlig überzeugen, dazu hat mir einfach die emotionale Ebene gefehlt. Das ist bei solchen Büchern Geschmackssache, aber ich habe festgestellt, dass ich dann einen besseren Zugang zu den Personen und ihren Geschichten habe. Ansonsten aber eine sehr kurzweilige Lektüre, daher wohlwollende 4 Sterne.