Rezension

Hut ab, Frau Slaughter

Pretty Girls
von Karin Slaughter

Bewertet mit 5 Sternen

24 Jahre ist es her, dass Julia auf dem nach Hause Weg zwischen Club und College spurlos verschwand und nicht nur von Julia verliert sich jede Spur. Immer wieder kommt es vor, dass Mädchen aus der Gegend einfach so vom Erdboden verschwinden. Julias Vater erholt sich nie von diesem Verlust und beginnt ein paar Jahre nach dem Verschwinden Selbstmord, Julias Mutter erliegt jahrelangen Depressionen, kämpft sich aber wieder zurück ins Leben und Julias jüngere Schwestern? Auch die Beiden leiden auch heute noch unter dem Verlust der Schwester. Lydia verfällt Sex, Drugs and Rock 'n' Roll, bis sie schwanger wird und wieder Fuß fasst im Leben, mit ihrer Familie hat sie seit über 20 Jahren keinen Kontakt mehr. Claire ist seit vielen Jahren glücklich mit dem reichen Unternehmer Paul verheiratet. Doch dieses Glück endet plötzlich in einer Gasse, als die Beiden überfallen werden und Paul durch den Angreifer tödlich verletzt wird. Nach seinem Tod entdeckt Claire verstörende Videos auf Pauls Rechner. Wer war der Mann, mit dem Claire 20 Jahre gelebt hat? Plötzlich beginnt ihr beschauliches Leben gehörig zu schwanken und sie weiß nicht mehr was echt und was falsch ist.

Ich weiß so gar nicht, wie ich dieses Mal mit meiner Rezension beginnen soll, denn dieses Buch hat es wirklich in sich. Das Thema Snuff-Movie wird hier ordentlich bis ins kleinste Detail zerlegt und es liest sich, als wäre das alles real. Hut ab, Frau Slaughter, das ist durchweg gelungen. Trotz kleinerer Längen zwischendurch war ich völlig gebannt von dem Thriller. Gerade zu Anfang kam mir häufiger der Gedanken, wann es denn nun endlich losgeht, doch jetzt im Nachhinein denke ich, dass alles ganz genau so sein musste. Das Buch hat mich gepackt und brachte Gänsehaut, ich habe mich vor Ekel geschüttelt und hatte Tränen in den Augen, ein Gefühls auf und ab, das fast schon kapitelweise wechselte. Ich wusste nicht mehr, wem ich vertrauen konnte und wem nicht, zwischendurch glaubte ich, dass so gut wie jeder Dreck am Stecken hatte. Durch viele geschickte Wendungen bleibt es spannend und auch wenn immer mal wieder das Tempo etwas gedrosselt wurde, kam es danach gleich nochmal so heftig und man hatte kaum Zeit zum Atem holen.

Die Charaktere werden clever aufgebaut und zu Anfang und auch zwischendurch wechselt die Perspektive zwischen Claire und Lydia und es gibt kurze Textauszüge aus dem Tagebuch des Vaters. Ich wusste zuerst auch gar nicht, welchen Zusammenhang es zwischen Claire und Lydia gab, dass die beiden Schwestern sind, hat mich regelrecht überrascht. Claire selber mochte ich zu Beginn so gar nicht, kam sie mir doch einfach wie eine reiche, verwöhnte Ehefrau vor, die noch nie in ihrem Leben etwas tun musste. Lydia war das Gegenteil, sie schien sich selber aus völlig verkorksten Verhältnissen zurück ins Leben katapultiert zu haben und hat es sogar geschafft, sich selbstständig zu machen. Doch je mehr die Geschichte in Fahrt kam, umso mehr wurde aus Claire ein Charakter der mich überraschen konnte. Die ganze Geschichte um Julias Verschwinden wird glaubhaft geschildert, die Trauer der Schwestern und der Eltern, die nahezu spürbare Verzweiflung, die Hoffnung zu Anfang Julia doch noch zu finden. Wie sich diese Hoffnung im Laufe der Zeit wandelt, in den verzweifelten Wunsch, herauszufinden, was mit ihr geschehen ist und letzen Endes, wie die ganze Familie an diesem Verlust zerbricht.

Mein Fazit: absolut gelungener, stimmiger Thriller, der wirklich alles beinhaltete, was ein solches Buch braucht. Nicht für zart besaitete Leser geeignet, aber Slaughter, aber auch Thrillers Fans im allgemeinen werden begeistert sein.