Rezension

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Das Haus der Frauen - Laetitia Colombani

Das Haus der Frauen
von Laetitia Colombani

Bewertet mit 5 Sternen

★★★★★

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Die erfolgreiche Anwältin Solène verkraftet den Selbstmord eines Mandanten nicht. Sie hat einen Zusammenbruch und nimmt psychologische Hilfe in Anspruch. Als es ihr besser geht, rät ihr der Arzt, sich selbst zu helfen, indem sie anderen hilft. Sein Vorschlag ist, einmal die Woche als Schreiberin im „Haus der Frauen“ eine Stunde den Frauen zu helfen, ihre Briefe und Anträge zu schreiben. Zunächst ist Solène nicht wirklich überzeugt, doch so nach und nach werden die Frauen und ihre Geschichten zu einem wichtigen Teil ihres Lebens. Ihr Jugendtraum und die Geschichte des Hauses, der Frau, die dahinter steht, die es gegründet hat, werden eins …

 

Laetitia Colombani hat mit sanfter, leiser Stimme eine gewaltige Geschichte erzählt. Die Geschichte einer starken Frau, die sich in einer Zeit, in der Frauen weder ein Konto haben durften noch Hosen tragen, mutig durchgesetzt hat, an scheinbar unerreichbaren Zielen Orientierung fand und die Welt damit verändert hat. Dazu brauchte sie erstaunlicher Weise keine tausend Seiten, obwohl diese Geschichte sich auch da nicht verloren hätte, nein, sie packt sie, mitsamt Solènes Geschichte, in nur 254 Seiten. Das ist erstaunlich! Fassungslos aber macht mich, dass meine Recherche zu Blanche Peyron nur magere Ergebnisse lieferte. Diese Frau wird einfach „verschwiegen“ – es ist unfassbar. Umso wichtiger ist dieses Buch!

 

Die Idee, eine vermeintlich schwache Frau so viele Jahre nach Blanches Tod zu ihr zu finden und von ihrer Kraft zu zehren, ist ergreifend, aber nicht schwülstig. So unterschiedlich die beiden Frauen sind, so unterschiedlich sind die Zeiten, in denen sie leben. Und doch ähnelt sich alles auf gewisse Weise. Dazu die Geschichten von den Bewohnerinnen des Hauses – jede ist anders und doch weiß der Leser, dass er genau solchen Menschen immer wieder begegnet und mehr oder weniger bewusst wegsieht. Mich hat das Buch dazu animiert, genauer hinzusehen. Bedürftigen nicht nur ein wenig Geld oder etwas zu Essen zu geben, sondern auch Worte. Nicht schweigend weitergehen.

 

Das Buch hat auffallend wenig direkte Rede. Dadurch spürt man beim Lesen tatsächlich eine Stille, eine Ruhe. Das geht heftig unter die Haut. Ich fühle mich, im Vergleich zu jeder der Frauen im Buch, tatsächlich klein und schwach! So gut geht es mir, dass ich es immer wieder vergesse, dass dies längst nicht für alle ein Normalzustand ist. Das sollte es aber sein und genau das sagt dieses Buch. Deshalb und weil es sich ganz tief unter meine Haut gearbeitet hat, bekommt es von mir fünf Sterne.

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