Rezension

Ich bin zu alt für sowas.

Nirgendwo in Berlin - Beate T. Hanika

Nirgendwo in Berlin
von Beate T. Hanika

Greta wird nach der Trennung ihrer Eltern vor vollendete Tatsachen gestellt: Ihre Mutter hat längst beschlossen, dass sie gemeinsam nach Berlin ziehen und Greta ihre Freunde, ihren Vater und ihr ganzes Leben zurücklassen soll. Sie ist sich sicher, dass ihre Tochter in der Hauptstadt schnell viele neue Freunde gewinnen wird. Außerdem ist sie der festen Überzeugung, dass das Dorfleben die Zukunft von Greta einschränkt. Die 15 Jährige sieht das anders, muss sich dem Willen ihrer Mutter beugen und findet in der riesigen, fremden Stadt keinen Anschluss.

Weil sich Gretas alten Freunde nicht bei ihr melden, ihre Mutter keine Zeit mehr für sie hat und sie in Berlin an nichts Gefallen findet, flüchtet sie sich immer öfter in einen Chatroom. Dort trifft sie Pampolina, der es mit ihren Eltern ganz ähnlich zu gehen scheint. Stundenlang tauschen sie sich aus und besprechen ihre Probleme miteinander. Sie verabreden sich immer wieder zum Chat. Doch plötzlich taucht Pampolina nicht mehr auf. Als Greta von ihrer Mutter hört, dass ein Mädchen in Berlin verschwunden ist, ist sie sich ganz sicher: Das muss ihre Internetfreundin sein!

Mit »Nirgendwo in Berlin« ist Beate Teresa Hanika ein spannender Roman gelungen, der mich trotz der Tatsache, das mir Pampolinas Verschwinden nicht wirklich ein Rätsel war, für einige Stunden gut unterhalten hat. Die Seiten flogen nur so an mir vorbei: Ich wollte unbedingt wissen, ob sich mein Verdacht bestätigt. Außerdem habe auch ich schon viele Menschen, die ich im Internet kennengelernt habe, persönlich getroffen und finde es immer interessant, wie andere Leute damit umgehen. Daher konnte ich mich auch gut in die Protagonisten hinein versetzen.

Anfangs steht vor allem die Einsamkeit von Greta im Vordergrund. Sie gibt sich nicht wirklich Mühe, neue Freunde zu finden oder interessante Orte in Berlin aufzusuchen. Sie staut immer mehr negative Gefühle in sich auf. Mich persönlich nervt sowas schnell, doch genau im richtigen Moment wandelt sich die Handlung und gewinnt die Aufmerksamkeit des Lesers mit der Suche nach Pampolina zurück.

Enttäuscht wurde ich von der Auflösung: Sie wirkt nicht nur einfallslos, sondern auch lieblos. Die Zufälle häufen sich, die authentische Geschichte wird immer unrealistischer. Am Ende hatte ich auch das Gefühl, das dem Roman noch mindestens ein Kapitel mehr ganz gut getan hätte. Missfallen hat mir auch der deutlich spürbare erhobene Zeigefinger: Im Internet lauern nur böse, gefährliche Perverse.

Zwar gewöhnt man sich schnell daran, aber dennoch hat es mich total gestört: Die Autorin verzichtet vollkommen auf Anführungszeichen. Manchmal war ich mir nicht sicher, ob gerade gedacht oder gesprochen wird. Warum immer mehr Schriftsteller auf Gänsefüsschen verzichten, verstehe ich ehrlich gesagt nicht. »Nirgendwo in Berlin« ist für eine jüngere Zielgruppe geschrieben, die das wahrscheinlich nur verwirrt.

Dennoch habe ich »Nirgendwo in Berlin« sehr gerne gelesen. Das Buch ist nicht überragend, aber auch nicht schlecht. Man sollte sich bewusst sein, dass die 269 Seiten sehr kurzweilig sind und nicht mit all zu vielen Überraschungen rechnen. Dann kann man sich durchaus von der Autorin und Berlin mitreißen lassen. Dieser Roman ist meiner Meinung nach kein All-Ager, sondern wirklich ein Jugendbuch für 12 – 15 Jährige, die vielleicht gerade auch überlegen, ob sie sich mit jemanden aus dem Netz treffen sollen.