Rezension

Ich fühle was, was du nicht fühlst

Ich fühle was, was du nicht fühlst - Amelie Fried

Ich fühle was, was du nicht fühlst
von Amelie Fried

Die 13-jährige India hat es nicht leicht: Ihre exzentrischen Künstler-Eltern stecken in einer Ehekrise, ihr Bruder gerät in seiner Selbstfindungsphase auf extreme Abwege und plötzlich wird ihr Elternhaus zu einem Esoterik-Domizil. Einzig und allein die Klavierstunden, die sie von Christian, ihrem Musiklehrer und gleichzeitig dem Vater ihrer besten Freundin, erhält, geben ihr Kraft. Dass India ein besonderes Gespür für die Musik hat und sie praktisch fühlen kann, macht ihr manchmal jedoch Angst und unter anderem auch körperlich zu schaffen. Einen solchen Moment nutzt Christian eines Tages aus – und für India ist nichts mehr, wie es war.

Das Cover zeigt eine Art bunten Farbklecks auf weißem Grund, was zwar eher auf eine Verbindung der Geschichte zur Malerei statt zur Musik schließen lässt, jedoch nett anzusehen ist.

Ebenfalls gut gefallen hat mir der Schreibstil der Autorin, da sie sehr bildhaft erzählt, was besonders in den Szenen, in denen Indias Empfindungen gegenüber der Musik beschrieben werden, sehr gut zur Geltung kommt.

Besonders angesprochen hat mich inhaltlich an diesem Buch der Vertrauensbruch zwischen Christian und India, indem er als Erwachsener und Lehrer seine Machtposition missbraucht, um seine Klavierschülerin anzufassen. Ziemlich schnell stellt sich jedoch heraus, dass der Roman diesem Thema gar nicht den Platz einräumt, den es verdient hätte und der dem Leser vom Klappentext her versprochen wird. Stattdessen lenken die endlosen Passagen über Ches falsche Ideologien und die Ausschweifungen von Indias Mutter extrem von der Hauptgeschichte ab, die dadurch eher zur Nebenhandlung verkommt. Das ist extrem schade, da die Grundidee sehr vielversprechend war und die wenigen wirklich interessanten Passagen an und für sich auch sehr gut gelungen sind.

Daher kommt man allerdings auch India, die ja immerhin die Hauptfigur ist, nur in wenigen Szenen nah genug, um sich wirklich mit ihr identifizieren zu können und jedes Mal, wenn es so weit ist, wird der Handlungsstrang zwischen ihr und Christian unterbrochen. Auch richtige Spannung kommt leider erst gegen Ende auf, wo dann plötzlich alles Hals über Kopf geht – für meinen Geschmack leider viel zu spät.

Insgesamt konnte das Buch meinen Erwartungen leider nicht standhalten. Zwar ist es im Großen und Ganzen in Ordnung, liefert aber leider nicht das ab, was der Klappentext als zentrale Thematik verspricht.