Rezension

Ich hätte das letzte Kapitel nicht gebraucht

Betrunkene Bäume - Ada Dorian

Betrunkene Bäume
von Ada Dorian

Bewertet mit 4 Sternen

Erich ist jenseits der achtzig und klammert sich fest an den Gedanken, noch gebraucht zu werden. Seine Frau Dascha ist nach vielen gemeinsamen Jahren nach Sibirien zurück gegangen. Allein. Nach seiner Pensionierung wollten sie gemeinsam in Daschas früherer Heimat leben. Dem Ort, an dem sie sich auch kennengelernt hatten, als der junge Erich im Dienst der Wissenschaft das Leben der Wälder Russlands erforschte. Sein Sohn hat sich von ihm abgewandt, seine Tochter versucht sich zu kümmern, aber ein Platz in einem Pflegeheim kommt für Erich nicht in Frage. Da lernt er Katharina kennen. Von zu Hause ausgerissen, die Schule abgebrochen, zieht sie in die Wohnung gegenüber und wird für Erich eine vorsichtige Stütze. Aber auch Katharina selbst profitiert aus der Beziehung zu dem alten Mann.

Ada Dorian hat eine sensible Geschichte über das Leben und das Älterwerden geschrieben. Erich und Katharina waren mir sehr sympathisch. Der vorsichtige, beinahe schon liebevolle Umgang der beiden hat der Geschichte eine Leichtigkeit gegeben, die sie zu einer schönen Erzählung gemacht hat. Für mich durchaus nachvollziehbar auch die etwas raue Art von Irina, Erichs Tochter. Irinas beständige Sorge um ihren Vater und dessen konsequente Widerspenstigkeit haben für mich die kleine Spur Humor gehabt, um noch den ernsten Hintergrund des sensiblen Themas Lebensabend zu wahren. Kommt ein Leben in einem Pflegeheim in Frage wenn es zur Neige geht oder nicht. Bei einem Tag der offenen Tür trifft Erich Herrn Hoffmann, der so gar nicht den Anschein weckt, als wäre er in einer Pflegeeinrichtung am richtigen Platz. Und so erklärt er Erich: „Für die meisten ist das hier ein Ort, an den man zum Sterben geht, nicht einer, an dem man noch ein paar schöne Jahre hat.“ Für mich eine sehr bewegende Passage im Buch.

Was für mich dennoch unerklärlich bleibt, ist das letzte Kapitel. Meines Erachtens nach hätte es das überhaupt nicht gebraucht und für mich die Stimmung am Ende ein bisschen kaputt gemacht. Schade, aber davon abgesehen war es ein wirklich schönes Buch.