Rezension

Ich hatte was ganz anderes erwartet

Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens - J. Ryan Stradal

Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens
von J. Ryan Stradal

Bewertet mit 3.5 Sternen

Eva Thorvald wird schon mal Säugling von ihrer Mutter verlassen, die sich lieber auf ihre Karriere konzentrieren möchte, doch damit nicht genug. Ihr liebevoller Vater stirbt kurz darauf ganz plötzlich. Nun wird sie von ihrer Tante und dem Onkel aufgezogen und entwickelt aller Widrigkeiten zum Trotz einen besonderen Geschmack und entwickelt sich Stück für Stück zu einer der gefragtesten Köchinnen. Der Autor schildert die Geschichten von Wegbegleitern Evas, ohne sie in den Mittelpunkt zu stellen.

Häufig hatte ich nach den Brüchen in der Geschichte, den Zeitsprüngen das Gefühl, dass ich gerne noch erfahren hätte, was nun aus den in diesem Abschnitt handelnden Hauptpersonen geschehen ist. In der Anfangsphase befürchtete ich noch, dass das der Leser nie erfahren wird, aber der Autor hat es geschafft, alle Fäden am Ende doch noch zusammenzuziehen und das ist wirklich gut geglückt. Bei den Episoden steht sie oftmals gar nicht im Vordergrund, trotzdem ist sie auf ihre Art ständig präsent. Dies ist einer der größten Minuspunkte im Buch, denn der Klappentext hatte, zumindest bei mir, völlig andere Erwartungen geweckt. Ich hätte erwartet, dass man Eva in ihrem Business erlebt, wie sie sich entwickelt; stattdessen sind ihre, oft von ihrem weitentfernten, Wegbegleiter Thema. Trotzdem hatten mich auch schon die Geschichten um Personen, die in irgendeiner Weise mit Eva zu tun hatten, recht gut unterhalten. Sie waren teils dramatisch, witzig und manches auch ein wenig romantisch – insgesamt eine gute Mischung, die Evas Leben von ihrer frühsten Kindheit bis zur erfolgreichen Dinnerparty-Veranstalterin, entlang kulinarischer Köstlichkeiten aber nur vage erahnen lässt. Eva wird so als Person nie wirklich greifbar und bleibt dem Leser bis zum Schluss verhältnismäßig fremd. Da ich mich von meiner Erwartungshaltung verabschieden konnte, kann ich das Ganze dann doch noch recht positiv bewerten. Der vom Autor gewählte Kniff Evas Geschichte zu erzählen ist sicher sehr gewagt und wird sicher auch den einen oder anderen Leser unzufrieden machen… Ein weiterer Makel ist, dass ich mir von den Rezepten deutlich mehr versprochen hatte. Ich werde davon keines nachmachen.

Das Buch lässt sich flüssig und leicht lesen, ab und an rutscht der Stil etwas ins Vulgäre ab, jedoch nur, wenn es inhaltlich passend ist, sodass dies für mich in Ordnung war.

Insgesamt unterhielt mich das Buch, aber begeistert hat es mich nach dem ersten Kapitel nicht mehr.