Rezension

Ich konnte mit Ortheils Stil nichts anfangen...

Der von den Löwen träumte - Hanns-Josef Ortheil

Der von den Löwen träumte
von Hanns-Josef Ortheil

Bewertet mit 2 Sternen

Worum es geht: 

"Ich habe allen Glauben verloren" hatte er einmal gesagt, " das Vertrauen, die Hoffnung, dieser scheußliche Krieg hat mich niedergemacht."

Mit starken Depressionen und krank reist Ernest Hemingway 1948 nach Venedig. Seine Hoffnung ist es, dort in der Abgeschiedenheit eines Landhauses in einer Lagune wieder Inspiration zum Schreiben zu finden. Was er nicht erwartet hätte, ist die Bekanntschaft zu einer Achzehnjährigen und deren Auswirkung auf ihn. 

Meine Meinung: 

Der von Löwen träumte ist mein erstes Buch von Ortheil. Dies muss gesagt sein, da ich bisher nur Rezensionen zum Buch gefunden haben, welche von Fans Ortheils geschrieben wurden. "Ortheil weiß eben mit der deutschen Sprache umzugehen wie es nur Wenige vermögen...." schreibt da Bernd Taller auf Amazon. 
"Die Anmut der Architektur, das Leichte der über Wasser schwebenden Palazzi spiegelt sich in Ortheils Sprache wider, die von jener anstrengungslosen Schönheit und Eleganz geprägt ist, die sich in der Gegenwartsliteratur nur selten finden." schreibt Theodor Kuhlau, ebenfalls auf Amazon. 
Ich verstehe mich selbst als Liebhaber fiktiver Biografien und allem voran Romane die sich mit Hemingway beschäftigten. Dass nun eines von Hanns-Josef geschrieben wurde, interessierte mich also weniger des Schriftsteller halber. Doch sein guter Ruf eilte ihm vorraus. Voller Elan und Vorfreude wollte ich mich der Lektüre zuwenden, nur um dann bereits auf den ersten hundert Seiten am liebsten abbrechen zu wollen. 
Ortheil war mir zu wankelmütig in seiner Darstellung Hemingways. Mal mag er keine Geschichten zu Bildern hören, 2 Seiten später mag er nichts lieber. Weiss ich dass Hem nicht einfach war, beschreibt ihn mir Ortheil so unsympathisch, dass es mich kaum noch kümmerte, wie das Buch sein Ende finden soll. 
Es lag vielleicht auch an meinen Erwartungen, allerdings hatte ich gehofft etwas Greifbareres zu erhalten, als es letztendlich der Fall war. Gerne habe ich am Ende dieser Sorte Bücher einen Quellennachweis. Die letzte Seite dieses Buches ist allerdings die letzte Seite des Romanes. Nicht mal eine Danksagung findet man. Ich wüsste zugerne was Ortheil für seine Recherche zu diesem Buch genutzt hat. 
4 Monate früher erschien in Englisch "Autumn in Venice" von Di Robilant, ausgezeichnet in der Kategorie Best books on european cities von National Geographics. Es hat mich überrascht das Thema gleich zweimal so nah beieinander veröffentlich zu sehen, wenn ich vorher nie was von Adriana mitbekommen hatte. Zu einen etwaigen Jahrestages habe ich diesbezüglich allerdings nichts finden können. 

"Das blosse Aufschreiben ist harte Arbeit, mein Lieber. Es genügt nicht, die Sachen einfach nur zu benennen, du musst ihre Besonderheit exakt treffen. Mit genau den richtigen Worten."

Hemingway durchstreift Venedig, und das nicht wie ein Tourist, wie er mehrfach angibt. Dennoch findet man ihn in der Academia und verschiedenen Piazzas. Zu Beginn ist er noch sehr erpirscht darauf Ausflüge zu machen, mit dem Boot raus zu fahren. Als Adriana ins Spiel kommt, wird Venedig erneut zu einer Hauptfigur. 
In Venedig war ich selber bereits und habe hier ein wenig die Passion für die Stadt vermisst. Wahrscheinlich war es Ortheil egal, wo sich Hemingway für die Handlung seiner Geschichte aufhält, hier finde ich allerdings hätte mehr machen können. 
Grösster Kritikpunkt für mich: Wenn das Buch wegen der skandalösen Liebesbeziehung angepriesen wird, welches auch mich zu dem Buch hat greifen lassen, und die beiden dann erst auf Seite 218 von 347 aufeinander treffen??!! Bis dahin gibt es nur Hem wie er durch die Gegend zieht und oberflächliche Gespräche mit Fremden hat. 
Die Buchmitte ist fast ausschließlich Dialog, und der so gestelzt, dass ich keine Freude dran hatte. Nachdem Hem auf Adriana trifft wird auch seine Perspektive fallen gelassen und der Leser erfährt vorerst nur durch tratschende Frauen den Werdegang der Beziehung. 
Mary, Hemingways vierte Frau, welche ihn vorerst begleitet, hat kaum bis gar keine Rolle. 
Von Gefühlen weit und breit keine Spur. 

Alle Kritikpunkten gehen einher mit dem Umstand, dass ich Ortheil's Stil nichts abgewinnen konnte. Dies ist dementsprechend leider mein erstes und auch mein letztes Buch.