Rezension

ICH LEBE

Die Mitternachtsbibliothek -

Die Mitternachtsbibliothek
von Matt Haig

Ein Buch über das "was wäre wenn?" und das "was ist". Sehr facettenreich, philosophisch, lebensbejahend und authentisch. Sehr zu empfehlen für jede*n - aber besonders für Menschen mit depressiven Phasen, Verstimmungen, negativen Gedanken oder Lebensmüdigkeit.

"Zwischen Leben und Tod liegt eine Bibliothek", sagte sie. "Und diese Bibliothek besteht aus endlosen Regalen. Jedes Buch bietet dir die Chance, ein anderes Leben auszuprobieren, das dir offengestanden hätte. Jedes Buch bietet dir die Chance, zu sehen, wie alles gekommen wäre, wenn du andere Entscheidungen getroffen hättest... Hättest du irgendetwas anders gemacht, wenn sich ungeschehen machen ließe, was du heute bereust?"

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So leitet Matt Haig im Deckblatt das Buch ein. Eine kurze Zusammenfassung der Handlung - nicht der Essenz!

In seinem Buch erzählt er die Geschichte von Nora Seed, die sich das Leben nehmen möchte.

Die Gründe dafür beschreibt er ausführlich - spielt mit Gedankengängen, Begegnungen, Social-Media-Posts, Rückblenden. Der Hintergrund des Charakters wird angerissen. Für Menschen mit Depressionen sind die Gründe wahrscheinlich leichter nachvollziehbar, als für Menschen ohne Depressionen. Aber besser hätte ich auch nicht an das Thema heranführen können. Matt Haig erzählt authentisch aus der Perspektive von jemandem, der selbst unter Depressionen und suizidalen Tendenzen leidet. Das macht die ganze Geschichte sehr authentisch.

Die Haupthandlung in der "Mitternachtsbibliothek" ist sehr philosophisch und vielseitig. Als Leser*in darf man in sehr viele Parallelwelten hineinschnuppern und die Entwicklung des Charakters miterleben. Außerdem stellt man sich selbst sehr viele Fragen; besonders zu dem zentralen Thema "Reue", welches hier sehr bildlich und greifbar dargestellt wird. Das Buch ist sehr vielseitig, genau wie der Charakter. Die Eindrücke gehen von Musik, über Literatur und Philosophie hin zu atemberaubender Natur, Umweltaktivismus, Physik, Genuss und Sport. Dabei verläuft sich der Autor nicht, sondern bleibt der Geschichte treu. 

Der Schluss ist unfassbar lebensbejahend und erinnert den/die Leser*in an eine sehr wichtige Fähigkeit: Dankbarkeit. Dankbarkeit für das Leben, Wertschätzung der kleinen Dingen, Erkenntnis über das "große Ganze". Es geht sehr nahe, ohne aufgesetzt oder pathetisch zu wirken. Ich lebe. Das ist eine so simple und doch so atmeberaubende Aussage. Man vergisst oft, was dieser Körper, dieses Leben für ein Geschenk ist. Und das man unendnlich viele Chancen und Möglichkeiten offen hat - jeder Tag ist ein Schritt in ein anderes "Parallelleben".

Es ist ein weises Buch, ohne sich als solches aufzuspielen. Es hatte einen Mehrwert in meinem Leben. 

5 Sterne sind das Mindeste was ich dafür zurückgeben kann.