Ich shoppe, also bin ich
Bewertet mit 5 Sternen
Der Trendforscher und Inhaber der Modemarke „Firma“ Carl Tillessen analysiert, wie wir dank Globalisierung und Digitalisierung jederzeit immer ungehemmter noch billigere Klamotten kaufen können.
Eine Demokratisierung des Luxus dank sinkender Preise lässt uns an der gesellschaftlich wichtigsten Teilhabe partizipieren – der Teilhabe am Konsum. Unser chronischer Überkonsum ist konsequent amoralisch. Empathie empfinden wir selektiv, d.h. weniger mit den Textilarbeiterinnen in Fernost als mit dem Einzelhändler vor Ort. Anhand der Flagshipstore wird der Wandel des lokalen Handels im Zusammenhang mit Online- Aktivitäten und E-Commerce beschrieben. Die Verfallszeit eines Kleidungsstücks oder Accessoires wird immer kürzer - entsprechend der Haltbarkeit eines Posts auf Instagram.
Mieten statt kaufen, wäre sinnvoll, bedeutet aber keinen Lustgewinn. Etwas besitzen, heißt das Zauberwort. Die künstliche Verknappung dank Limited Editions heizt unsere Begierde umso mehr an.
Der Niedergang unserer Innenstädte, als Treffpunkt für Konsum und Kultur, hat auch Konsequenzen für unser Kommunikationskultur. Das Tracking unserer Daten füttert die Vielzahl an Algorithmen, die scheinbar unser Konsumverhalten anregen sollen, aber nichts wirklich Neues schaffen. „Kuratieren“ ist das neue Zauberwort – eine Auswahl aus bereits Vorhandenem treffen, die zu einem Einheitsgeschmack führt.
Konsum verschafft uns Lust und setzt Dopamin frei. Unsere Konsumkompetenz wird zum Maßstab unseres sozialen Status.
Tillessen zeigt Auswege aus der Konsumfalle, denn unser Geld und unsere Likes können Veränderungen bewirken. Ein Shitstorm im Netz wird zur vierten Macht und kann Unternehmen zum Umdenken bringen.
Dank seiner plausiblen Argumente bin ich als Leser nach der Lektüre beschämt, denn auch ich ermögliche mit meinen Kaufentscheidungen dieses unfaire System. Die umfangreichen Anmerkungen belegen Tillessens sorgfältige Recherche und Analyse.