Rezension

Ich weiß, was DU brauchst, denn ICH kenne Dich!

I can see U - Matthias Morgenroth

I can see U
von Matthias Morgenroth

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ein spannender Jugend-Thriller, der eindringlich zeigt, wie uns nach und nach die digitale Welt beherrscht.

„I can see U“ ist ein packender, spannender Jugendroman von Matthias Morgenroth, der als Reporter und Redakteur beim Bayerischen Rundfunk arbeitet.

Die Geschichte, die an einem Ingolstädter Gymnasium spielt, zeigt den schulischen und außerschulischen Alltag einer 10. Klasse, in der mehr und mehr das „digitale Klassenzimmer“ Einzug erhält. Der etwas dystopische, aber durchaus viele realischtisch Elemente aufweisende, Roman scheint (sogar) in naher Zukunft zu spielen – evtl. Mai 2020 (?!) und beleuchtet einen Zeitraum von knapp zwei Wochen.

Marie ist eine eher unscheinbare Jugendliche – Zahnspange, nicht die beste Figur -, die eher in der Klasse untergeht. Sie sehnt sich, auch mal als „Frau“ wahrgenommen zu werden, sie möchte auch mal einen Freund haben. Als mitten im Schuljahr der sehr gut aussehende, immer top-gekleidete Ben in ihre Klasse kommt, ist es um sie geschehen. Hals über Kopf verliebt sie sich in den Neuen und hat sieht ihn durch die „Rosa Brille“. Bens zuvorkommendes Verhalten ihr gegenüber bestärkt sie in dem Gefühl, dass endlich mal jemand da ist, der sich für sie interessiert.

Aber die ganze Klasse lässt sich von Ben beeindrucken. Er ist extrem hilfsbereit und findet schnell Anklang. Kaum dass jemand eine Frage / Problem hat, hat Ben sogar in Windeseile eine Lösung parat. Und das Höchste ist, er liest fast schon Wünsche von den Augen ab! Alle sind begeistert.

Der einst harmonische Zusammenhalt der 10. Klasse wird aber gestört, als im Klassenchat unvorteilhafte und sehr private Bilder auftauchen und geteilt werden. Sogar manipulierte Bilder werden verschickt – an Schüler und Lehrer zugleich.

Den Klassenkameraden wird Bens Verhalten immer merkwürdiger, auch scheint er sich immer wieder wie die „Fahne im Wind“ zu drehen. (Hat er überhaupt eine eigene Meinung?) Man sieht ihn zudem nur in der Schule. Selbst der Direktor benimmt sich eigenartig. Diesem Geheimnis wollen die drei Jugendlichen Marie, Elli und Josh auf den Grund gehen und begeben sich auf eine spannende und gefährliche Expedition. Bei dieser Aktion wird ihre Freundschaft auf die Probe gestellt und es zeigt sich, wer in der reellen Welt ein wahrer Freund ist und auf wen man sich verlassen kann.

Das Buch, das aus der Retro-Perspektive von Marie geschrieben ist, hat einen flüssigen und jugendfreundlichen Schreibstil. Besonders gegen Ende des Buches nimmt die Story Fahrt auf. Die Sätze, mit viel Tiefe, die zum Nachdenken anregen, frischen und peppen die Geschichte gekonnt auf. Das Buch hat mir unwahrscheinlich gut gefallen, da die Personen auf mich sehr authentisch wirken. Es werden FoodBlogs geschrieben, Youtube-Videos eingestellt, man ist begeistert von der Möglichkeit des Smarthomes.

Und genau diese digitale Welt wird hier sehr kritisch beleuchtet. Beim Lesen des Romans wird einem ständig vor Augen gehalten, welche Gefahren mit dieser wachsenden Technisierung und Digitalisierung verbunden sind – wenn uns das Denken quasi abgenommen wird.

Es zeigt auch, das es keinen langen Zeitraum braucht, um „Hetze“ und Unfrieden zu schüren.

Meines Erachtens handelt es sich bei dem Buch um ein geeignetes Buch, welches im Rahmen einer Klassenlektüre (9.-11. Klasse) gelesen werden kann, da die Protagonisten eben dieses Alter der Leserschaft haben. Ein Identifikation ist somit ein leichtes.

Das Ende hat in meinen Augen kein richtiges Ende; es wird etwas offen gelassen. Aber das wird wohl Absicht sein, so kann man sich über den Fortgang dieser Geschichte Gedanken machen und sich selber zu Ende denken. Letztendlich sollen wir sensibilisiert werden, was für Nutzen und Gefahren diese immer ausgefeilteren Neuerungen mit sich bringen.

Das Cover ist exzellent. Das schlichte Schwarz-Weiß-Foto eines hübschen, jugendlichen männlichen Gesichts, welches einem selbst tief und eindringlich in die Augen zu blicken scheint und der Titel („I can see U“), der holographisch gestaltet ist, bilden einen tollen Kontrast. Allein schon die Buchgestaltung lädt ein, das Buch aus dem Regal zu nehmen.

Ich kann den Roman Jugendlichen aber genauso Erwachsenen wärmstens – mit 4,5 Sternen - empfehlen.