Rezension

Idee ist gut. Erzählerisch fehlt noch etwas.

Marthas Widerstand - Kerry Drewery

Marthas Widerstand
von Kerry Drewery

Bewertet mit 2 Sternen

Eine richtig gute Idee zu haben, ist anscheinend nicht alles. Da der Zug der "Dystopie" rollt, muss quasi jeder und jede eine schreiben. Aber es gelingt trotzdem nicht immer. Denn man muss dafür ein bisschen mehr Gehirnschmalz einsetzen, als nur eine einzige Idee zu haben. Man muss sie auch noch kreativ und spannend ausgestalten. Und auch das Drumrum ist nicht unwichtig. MIt diesem Buch habe ich mich gelangweilt.

Eine Gesellschaft verzichtet auf ein kompliziertes und kostspieliges Rechtssystem und lässt bei Kapitalverbrechen ein Gesamtvoting über „schuldig“ oder „unschuldig“ von der Bevölkerung einholen, so dass es nur zwei Endpunkte des Verfahrens gibt, Vollzug der Todesstrafe nach 7 Tagen oder Freispruch. Jeder Tag wird in einer Liveshow vermarktet.

Im Prinzip ist diese Story, da in den USA die Todesstrafe in einigen Staaten bekanntlich (noch) möglich ist, eine engagierte Stimme einer amerikanischen Autorin gegen die Verhängung der Todesstrafe. Der pädagogische Zeigefinger ist unüberlesbar! Nun, ok. Das Anliegen ist berechtigt. Natürlich ist das Voting manipuliert. Jedes Voting ist manipuliert. Jeden Tag wird Martha von einer Zelle zur anderen gebracht, von Nr. 1 bis Nr. 7, der Todeszelle.

Die Idee, dass Martha jeden Tag in eine andere Zelle wandert, ist super. Allerdings sind die Erzählmittel der Autorin beschränkt. Sie schreibt im Präsens und vermittelt fast alle Informationen per Dialog. Wer im Präsens schreibt, was meist ermüdend ist, braucht einen trifftigen Grund dafür und ausserordentliches schriftstellerisches Können. Das ist hier, meiner Meinung nach, nicht der Fall. Die Dialoge haben mich nicht fesseln können. Der Grundsatz „Show it, don’t tell it“ wird nirgendwo verwirklicht.

Trotz der eigentlich interessanten Thematik vermochte die Autorin es daher nicht, kontinuierlich Spannung aufzubauen oder die Aufmerksamkeit der Leserin durchgehend zu behalten, es gibt zu viele Nichtigkeiten, die erwähnt werden und die keine Rolle spielen und auch die Sprache ist kein Ausreißer nach oben. Insgesamt ist zu wenig Phantasie im Spiel, zum Beispiel in der Beschreibung der Zellen. Die Autorin gibt sich Mühe, diese Zellen und die Qualen der Haft kreativ darzustellen und ich hätte auch nicht mehr Phantasie als sie, aber ich schreibe ja auch keinen Roman darüber. Auch die Nebenhandlung, eine kleine Liebesgeschichte, ist ein wenig blutleer.

Einigermassen innovativ war die Idee der „Livemitschnitte“ der Sendung „Death and Justice“. Aber auch hier fehlte mir noch etwas. Vielleicht hätten alle beteiligten Personen mehr Geschichte, mehr Privatleben, mehr Hintergrund gebraucht. Ich wurde mit keiner von ihnen warm.

Fazit: Für die Idee bleiben zwei Punkte. Doch die Moral von der Geschicht ist zu offensichtlich und die Story hat keine erzählerischen Höhepunkte.

Kategorie: Jugendbuch, Verlag: Bastei Lübbe, 2017
 

Kommentare

Steve Kaminski kommentierte am 16. April 2017 um 09:22

Jedenfalls ist Deine Rezension nicht langweilig - mit schönen Wortbildungen wie "unüberlesbar".

katzenminze kommentierte am 18. April 2017 um 16:58

Stimmt. Ich hab so gelacht bei "aber ich schreibe ja auch keinen Roman darüber". :D

Arbutus kommentierte am 01. November 2017 um 21:51

So, jetzt habe ich Deine Rezi endlich auch gelesen. Ja. Im großen und ganzen hast Du recht. (Schreibt man das jetzt eigentlich alles groß? Ich kann mich daran nie gewöhnen. Sieht so unnatürlich aus.)