Rezension

Identität, Heimat und das allergrößte Glück

Goodbye, Bukarest - Astrid Seeberger

Goodbye, Bukarest
von Astrid Seeberger

Bewertet mit 5 Sternen

Astrid Seeberger wächst in dem Glauben auf, dass ihr Onkel Bruno im Zweiten Weltkrieg, wo er in Hitlers Luftwaffe diente, gefallen ist, denn so hat es ihr ihre Mutter erzählt. Erst nach deren Tod erfährt Astrid, dass dem nicht so ist. Bruno ist nicht gefallen, nur verschollen, und ihre Mutter scheint sich in ihren letzten Lebensjahren auf die Suche nach ihm gemacht zu haben. Astrid, die vor langer Zeit Deutschland für ihre Wahlheimat Schweden den Rücken gekehrt hat, u.a. weil sie nicht mit einem Land assoziiert werden wollte, das für die Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs verantwortlich war, kann sich dem Wunsch, sich selbst auf die Suche nach Bruno zu begeben, nicht entziehen und setzt an, wo ihre Mutter nicht mehr weitergekommen ist. Von Rückschlägen lässt sie sich nicht entmutigen, zumindest nicht so weit, dass sie aufgeben würde, auch wenn sie nicht genau sagen kann, warum die Sache für sie so wichtig ist. Der Weg zu Bruno führt sie schließlich quer durch die Geschichte und drei Diktaturen zu einem unerwarteten Ziel.

Der ausnahmsweise gut gelungene Klappentext verrät eines nicht, nämlich, dass dieses Buch autobiographisch ist. Ich gebe zu, dass ich normalerweise diese Bücher mit der Aura „tiefsinnige Literatur, in der es irgendwie um nichts geht“ eher meide. Oft fühle ich mich von ihrer Falschheit peinlich berührt, wenn spürbar ist, dass sich der Autor zu sehr bemüht hat etwas ganz Bedeutendes zu schreiben, als könnte es er nicht ertragen mit der Masse assoziiert zu werden. Ich denke, der Grund dafür, dass dieses Buch mich so berührt hat, liegt auch darin, dass die Autorin über etwas geschrieben hat, das sie selbst erlebt hat. Sie musste sich nichts ausdenken, daher bestand auch wenig Gefahr, dass es unaufrichtig klingen würde. So habe ich dann das Buch in einem Rutsch gelesen, ohne es zu bemerken. An keiner Stelle habe ich mich gelangweilt oder musste mich zum Weiterlesen zwingen.

Trotz des autobiographischen Charakters ist Astrid selbst nur die Rahmenerzählung, denn tatsächlich geht es in dem Buch um ihren Onkel Bruno, den man sich zunächst als stumpfen Soldaten vorstellt, der von den Nazi-Idealen überzeugt ist. Es muss schließlich einen Grund gegeben haben, warum Astrids Mutter ihn für tot erklärte. Schnell merkt man aber gemeinsam mit Astrid, dass ihr Onkel einige ganz bemerkenswerte Eigenschaften hat, dass er viele Menschen in seinem Leben berührt und selbst viel Leid erlebt hat. Aus der Sicht dieser Menschen, denen er begegnet ist, wird im Wesentlichen seine Geschichte erzählt, teils im Gespräch mit Astrid, teils als erinnerte Erzählung, die in den Worten der Autorin so lebendig wird, als sei man selbst mit Bruno an den Orten, an denen er sein Leben verbracht hat.

Dass Astrids Leben nur den Rahmen für Brunos Geschichte liefert, bedeutet jedoch nicht, dass es den Leser kalt lässt. Mich hat es sehr berührt, wie sie über ihren Lebensgefährten geschrieben hat und über ihre Sehnsucht nach ihm auf ihren Reisen. Insgesamt handelt das Buch davon, „dass wir in einem Netz von Beziehungen leben. Und dass wir erst in einer Beziehung wirklich lebendig werden“ (S. 83). Menschen können einander die Hölle auf Erden bereiten – oder das Paradies.