Rezension

Ihr Bruder war der Gott des Tanzes

Die Schwester des Tänzers - Eva Stachniak

Die Schwester des Tänzers
von Eva Stachniak

Kleingeister suchen Trost darin, diejenigen, die an der Tafel der Götter speisen dürfen, zu Fall zu bringen. Die Menschen sind neidische Wesen. – Seite 100

In Eva Stachniaks neuem Roman begleiten wir die erfolgreiche Tänzerin Bronia Nijinsky durch ihr gesamtes Leben. Nach einer wahren Begebenheit erzählt uns Frau Stachniak das Leben einer ganz besonders begabten Familie vom Anfang bis zum Ende. Wir lernen Bronia, Waslaw und Stassik als kleine Kinder kennen und erleben, wie zumindest Bronia und Waslaw ihre Eltern sehr stolz machen als sie an der kaiserlichen Ballettschule aufgenommen werden. Sie wachsen heran und besonders Bronias Bruder Waslaw wird erfolgreich wie es nie ein Tänzer in Russland gewesen ist. Doch in dieser Geschichte werden nicht nur die Erfolge der Nijinskys, sondern auch die schweren Zeiten wie etwa der 1. Weltkrieg, das Scheitern eigener Ballettprojekte und familiäre Zerwürfnisse aufgegriffen.  Dies ist es, was die Geschichte so authentisch, so lebensecht und so unglaublich emotional macht.

Mir war es in der letzten Woche wirklich eine große Freude, dieses Buch zu lesen und ich habe mich schon jeden Tag darauf gefreut, zu erfahren, wie es Bronia nun heute geht. Man durchlebt ihr Leben im Schnelldurchlauf, es gleicht einer Biografie und dennoch empfand ich die Geschichte zu keiner Zeit als langatmig oder langweilig. Ich bin nun wahrlich kein großer Fan von historischen Romanen und kann mich für diese wirklich gar nicht begeistern, aber Eva Stachniak hat einen solchen hier nicht geschrieben. Sie hat einen einfühlsamen Roman über das Leben einer außergewöhnlich starken Frau verfasst. Hier geht es um mehr als die Geschichte des russischen Balletts. Hier geht es um die ganz großen und die ganz kleinen Dinge im Leben: Um den Erfolg und das Scheitern, um Tod und Krankheit, um Liebe und Verlust, um Familie und um die Einsamkeit des Erfolgs. Es geht darum, wie das Leben wirklich läuft.

Ich habe während der letzten Woche sehr intensiv über das Leben nachgedacht. Darüber wie fragil und endlich es doch ist und dass selbst die ganz großen Künstler mit all ihrem Ehrgeiz, ihrer Disziplin und ihrem Streben nicht davor gefeit sind, ganz tief zu fallen.

Eva Stachniak nimmt uns mit in eine ganz andere Zeit – die uns im übrigen bemerkt die Errungenschaften unserer modernen Welt noch einmal völlig neu schätzen lehrt – und sie öffnet uns die Tür zu einer faszinierenden Sphäre, mit der wir alle uns viel zu wenig auseinandersetzen.

Alles in allem war ich wirklich begeistert von der „Schwester des Tänzers“ und bin gewillt, auch noch die anderen Romane der Autorin zu lesen. Diese Geschichte war eine schöne Erfahrung, die mir noch lange nachhängen wird.