Rezension

"I´m a free American girl..."

Nellie Bly - Nicola Attadio

Nellie Bly
von Nicola Attadio

Was heute als ganz selbstverständlich gilt, war Mitte des 19. Jahrhunderts eher ungewöhnlich:  Elizabeth Jane Cochran will ihr Leben selbst bestimmen und keinesfalls eine Ehe eingehen, nur um finanziell versorgt zu sein. Zielstrebig, mutig, auch wenn ihr manchmal nicht so zumute ist, beschließt sie, sich weiterzubilden und einen Beruf zu ergreifen. Nach einigen Enttäuschungen kommen ihr der Zufall und etwas Glück zu Hilfe. Ein Leserbrief, den sie an die Zeitung "Pittsburgh Dispatch" verfasst, öffnet ihr schließlich die Tür zum Beruf der Journalistin, in dem sie unter dem Pseudonym "Nellie Bly" ihre Artikel veröffentlicht. Natürlich begegnet sie hier, in einer von Männern dominierten Arbeitswelt, ebenso Vorurteilen und Problemen. Doch sie verfügt über Ausdauer und hat eine Idee, die der Chefredakteur nicht ausschlagen kann: für einen Zeitungsbericht ermittelt sie undercover in einer bekannten New Yorker Irrenanstalt. Weitere sensationelle Reportagen folgen, die sie über die Landesgrenzen hinaus bekannt machen  -  am meisten sicherlich ihre Arbeit als Kriegsberichterstatterin im Ersten Weltkrieg.

Nicola Attadios Biografie über diese ungewöhnliche Frau ist in einem sachlichen, zurückhaltenden Stil abgefasst, aber dennoch spürt der Leser seine Empathie. Sehr anschaulich gibt er den historischen Hintergrund des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts wieder, der Nellys Situation verdeutlicht. Zitate und Auszüge aus Berichten Nellie Blys und ihrer Zeitgenossen geben zusätzlich Einblick in ihr Denken und Fühlen und vervollständigen das Lebensbild. Attadio ist es gelungen, ein sehr eindrückliches Porträt von Nelly, dem „free American girl“, wiederzugeben; einer Frau, die sich Zeit ihres Lebens bemühte, ohne die (fianzielle) Unterstützung eines Mannes zurechtkommen, aber stets ein großes Herz für jene bewies, die  ihre Hilfe nötig hatten.