Rezension

Im Gesamtparket sehr gutes Debüt

Schnitt - Marc Raabe

Schnitt
von Marc Raabe

Bewertet mit 5 Sternen

"Schnitt" handelt von Gabriel, der als kleiner Junge Zeuge eines grausamen Verbrechens wurde. Das Trauma ist so groß, dass er seine Erinnerungen verdrängt. 30 Jahre später wird nun seine schwangere Freundin Liz entführt und das Verbrechen bricht erneut über ihn hinein. Doch diesmal ist er ein Mann, der seine Partnerin unbedingt retten will, all seine Ängste verdrängt und bereit ist sich allen Gefahren zu stellen.

"Schnitt" ist der erste Thriller von Marc Raabe, aber der zweite, den ich gelesen habe. Gleich vorweg kann ich sagen, dass mich sein Debüt mehr überzeugt hat und hier folgt nun meine Begründung.

Der Prolog ist sehr mysteriös, gleichzeitig aber deutet er das Grauen für einen kleinen Jungen an und man will unbedingt wissen, was er in diesem geheimnisvollen Labor gesehen hat. Nach diesem bereits ordentlich Spannung aufbauenden Prolog ist jedoch keinerlei Spannungsabfall festzustellen, sondern die Spannung wird konsequent durchgezogen. Das sehe ich wirklich als großes Plus gegenüber "Heimweh", dass hier der Spannungsbogen wirklich in schön gleichmäßigen Kurven gehalten wird. Hat man gerade einen erzählerischen Höhepunkt erlebt, hat man nur wenige Seiten Zeit sich auszuruhen und erneut wird die Spannung für den Leser unerträglich. Dass diese Spannung gleich zu Beginn durchweg hoch ist, ist sehr angenehm, denn so wird man direkt von Anfang an an die Geschichte gebunden.
Weiter fallen positiv die Figuren auf. Die drei Hauptfiguren Liz, Gabriel und David sind sehr komplex angelegt. Sicherlich alles keine Figuren, die man sofort ins Herz schließt, aber ich kann versichern, dass man sich im Laufe der Handlung mit ihnen emotional verbindet. Mit Liz hat man eine richtige Powerfrau. Eine starke weibliche Protaginistin, die die Handlung am besten trägt. Sie kommt zwar aus keinem liebevollen Elternhaus, aber sie hat kein Trauma erlebt, so dass sie am "normalsten" wirkt und man ihrem unbändigen Mut noch mehr Respekt zollt. Gabriel ist sicherlich der komplexeste Charakter, aber dadurch auch der faszinierendste. Sein Hand zu Gewaltausbrüchen, seine Schizophrenie, all das sind sicherlich keine Mermale eine beliebten Hauptfigur. Dennoch kann Gabriel einen um den Finger wickeln, denn man merkt in all seinem Handeln, dass er für sich und seine Liebsten nur das Beste will. Spätestens wenn seine Hintegrundgeschichte komplett aufgedeckt ist, zeigt sich die wohl durchdachte psychologische Seite, die sich durch den ganzen Thriller zieht, aber da gehe ich später noch drauf an. Am blassesten bleibt da David, weil er eben der kleine Bruder war, der nichts mitbekommen hat und der irgendwie immer der Feigling war, aber auch er entpuppt sich als vielschichtig.

Ganz groß ist einfach der psychologische Teil. Man merkt von der ersten Seiten an, das alles wohl durchdacht ist und vor allem wenn man Gabriel verfolgt, dann ist das schon Extraklasse, wie er präsentiert wird. Sehr authentisch und nachvollziehbar. Bei "Heimweh" hatte ich die schon früh durchschaubare Auflösung kritisiert, das ist hier gar nicht der Fall. Gleich zunächst denkt man, ja, der war es, dann merkt man, dass man es scheinbar mit zwei Handlungssträngen zu tun hat, um dann festzustellen, dass alles perfekt miteinander verknüpft wurde.

Da bleibt mir nur zu sagen, dass Marc Raabe mit "Schnitt" ein großartiges Debüt abgeliefert hat. Es ist spannend, bietet komplexe Figuren und eine wohldurchdachte Geschichte. Da spreche ich gerne eine Kaufempfehlung aus!