Rezension

Im Gespräch mit dem Modeschöpfer KL – Literarisch anmaßend oder brillant?

KL - Gespräch über die Unsterblichkeit - John von Düffel

KL - Gespräch über die Unsterblichkeit
von John von Düffel

Bewertet mit 4 Sternen

Drei fiktive Interviews mit schillernden Persönlichkeiten

Wer sieht uns an? Und was wird dadurch aus uns? Einer, der es wissen muss, ist der bekannte Modeschöpfer KL, eine Ikone der Unnahbarkeit, der seit Jahrzehnten nicht zu altern scheint und immer gleich aussieht. Ein namenloser Erzähler fährt nach Paris, um mit KL über Schein und Sein, über den Tod und das Leben als Bild gewordene Instanz zu sprechen. Doch KL ist einer der eigensinnigsten und launischsten Gesprächspartner deutscher Sprache. Das Gespräch ist mit zahlreichen Reglementierungen und Auflagen verbunden. Und entwickelt sich schließlich in eine ganz unerwartete Richtung.

Der Autor:

John von Düffel, geboren 1966 in Göttingen, promovierte 23-jährig über Erkenntnistheorie und war danach als Theater- und Filmkritiker, als Schauspieldramaturg und Übersetzer tätig. 1998 schrieb er seinen Debütroman ›Vom Wasser‹, eine große Hommage an das fließende Element, und wurde dafür u.a. mit dem aspekte-Literaturpreis des ZDF ausgezeichnet. Zur Zeit arbeitet er als Dramaturg am Deutschen Theater Berlin und ist Professor für Szenisches Schreiben an der Berliner Universität der Künste. (Quelle: dtv Verlag)

Reflektionen:

Bei der Betrachtung des Buchtitels KL Gespräch über die Unsterblichkeit und des Covers, auf dem ein gemaltes Portrait des Modedesigners Karl Lagerfeld abgebildet ist, könnte man annehmen, John von Düffel hätte mit Karl Lagerfeld ein philosophisches Gespräch geführt, doch dem ist nicht so. John von Düffels Gespräch mit KL, über die Unsterblichkeit, ist reine Fiktion. Wer sich also vom Buchtitel verleiten lässt, wird maßlos enttäuscht sein.

Das schriftstellerische Können des Autors steht bei diesem Werk außer Frage. John von Düffel schreibt mit einer Leichtigkeit, die angenehm und flüssig durch die Seiten führt. Der Stil ist schnörkellos und eher nüchtern. Der Ausdruck ist in einer klaren, guten deutschen Sprache formuliert und bisweilen glänzt er in einem anmutigen Stil.

Betrachtet man den Inhalt, wird man in der Leserschaft auf differenzierte Meinungen zum Buch stoßen. Die einen werden es anmaßend finden, wie von Düffel (glaubhaft) Interviews mit dem Designer KL führt, wie er Redensart, Alltagsmomente und die philosophische Intelligenz des Künstlers aufgreift, verarbeitet und inszeniert und wie er ihm Schwächen unterstellt.

An die hundert Seiten sind befüllt mit fiktiven, philosophischen Karl Lagerfeld-Gedanken. Und man stellt sich unweigerlich die Frage, ob ein Autor eine lebende, schillernde Persönlichkeit, die sich überwiegend der Öffentlichkeit enthält, auf unterstellende Art Gedanken und Dialoge führen lassen darf. Ganz unabhängig davon, ob man die Mode-Ikone mag oder nicht.

Die anderen werden es brillant empfinden, wie von Düffel glaubhaft Gespräche mit Karl Lagerfeld in Szene setzt, denn die philosophisch angehauchten, fiktiven Dialoge strotzen vor Authentizität, so dass es vorstellbar ist, Karl Lagerfelds persönliche Worte zu lesen.

Die Figur des namenlosen Interviewers reist mit dem Zug von und nach Paris, um KL zu treffen. Auf diesen Reisen trifft er auf eine bekannte deutsche TV-Moderatorin und auf eine ehemals berühmte, wenn auch gescheiterte, deutsche Politikerin, die jeweils in Natura anders aussehen und wirken, als im TV. Kurz erfrischen die Kapitel zwar, wenn man über Schein und Sein nachdenken möchte, doch insgesamt könnte man diese Kapitel leichtfüßig überspringen.  

Der Fokus dieser Gegenwartsliteratur richtet sich ganz auf den Schein und Sein und auf die (Un-) Sterblichkeit. Was bleibt, wenn wir gehen, wie wirken wir auf andere und warum wirken andere anders? Stärke wird zur Schwäche und Schwäche zur Stärke.

Fazit und Bewertung:

KL Gespräch über die Unsterblichkeit von John Düffel ist durchaus interessante Gegenwartsliteratur, die durch literarisches Können, trotz fiktiven Geschichte, vor Authentizität nur so strotzt. Für mich persönlich ist dieses Werk gegenüber dem Modeschöpfer Karl Lagerfeld jedoch eine Spur zu anmaßend und sogar etwas pietätlos, ganz unabhängig davon, ob man den Designer brillant oder schrullig findet.

©nisnis-buecherliebe