Rezension

Im Namen Gottes?

Das Haus der Verlassenen - Emily Gunnis

Das Haus der Verlassenen
von Emily Gunnis

Bewertet mit 5 Sternen

★★★★★

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Samantha Harper ist Journalistin und immer auf der Suche nach der Story schlechthin. Da ihre Ehe gescheitert scheint und ihr Nochehemann nicht immer zuverlässig ist, kümmert sich Sams Nana um die kleine Emma, wenn Sam unterwegs ist. Ihr Verhältnis ist innig. Eines Tages entdeckt Sam bei Nana einen alten Brief, der sie neugierig macht. Sie beginnt nachzuforschen, obwohl ihr Chef ihr das verbieten will, denn es geht um St. Margaret’s, einer ehemaligen kirchlichen Einrichtung, die sich um uneheliche Kinder und deren Mütter kümmerte. Das Gebäude steht kurz vor dem Abriss. Schnell merkt Sam, dass die Zeit drängt, denn die Lösung all dessen, was mit diesen Briefen zusammenhängt, liegt eindeutig in diesen düsteren Mauern …

 

Das Thema ist bewegend und spannend, ganz klar, doch wie sehr es ans Herz geht, wie schockierend die Geschichte, die zwar fiktional ist, aber auf tatsächlichen Begebenheiten beruht, wird, das ahnt man anfangs nicht. Sam ist eine junge Frau, die auf privater und beruflicher Ebene hart kämpft. Zunächst mag sich der Gedanke einstellen, dass sie da nicht alleine ist, es vielen Frauen so geht. Doch nach und nach erkennt man, dass viel mehr dahinter steckt und Sam – wie sie selbst noch nicht weiß – viel mehr mit all dem zu tun hat, als es scheint. Parallel dazu erfährt man von den Machenschaften in dieser Einrichtung. Schlimm genug, wie hart, ungerecht und schlimm die Frauen und Kinder dort behandelt wurden. Erschreckend aber, dass dies nicht hunderte von Jahren her ist, sondern gerade mal ein halbes Jahrhundert – also quasi erst „gestern“ war.

 

Das Schicksal von Ivy, von dem der Leser nach und nach mehr erfährt, ist einfach erschütternd. Daraus erwächst immer mehr und man kommt nicht umhin, Parallelen zu den aktuellen Missbrauchsuntersuchungen zu ziehen. Denn auch das, was Ivy, den Kindern und ihren Zeitgenossen widerfahren ist, ist Missbrauch. Und bei beiden Arten haben die Opfer noch heute darunter zu leiden. Was daraus erwachsen kann, zeigt Emily Gunnis sehr gefühlvoll, aber ohne Effekthascherei. Dabei baut sich die Spannung immer mehr auf und es kommt auch zu einem furiosen Show-Down.

 

St. Margaret’s ist Fiktion, die Methoden aber gab es wirklich. Das weiß man beim Lesen intuitiv auch und genau das macht das Buch zu einem Pageturner. Die Zusammenhänge sind sehr stimmig aufgebaut, der Stil immer zur Person und Situation passend. Man lebt das Gelesene quasi mit. An keiner Stelle wird es langweilig und die Wendungen passen, ohne konstruiert zu wirken. Die Wechsel von 1956 zu 2017 sind gut dosiert. Man erfährt immer genau so viel, wie gerade für das Verstehen wichtig ist. Die Kapitel enden immer spannend, aber nie mit nervenden, effekthaschenden Cliffhangern. So liest sich das Buch von Anfang bis Ende flüssig. Mir wird es auch lange im Gedächtnis haften bleiben und ich bin froh, dass „diese Zeiten“ vorbei sind. Die Erkenntnisse, die die Autorin dem Leser in die Hände legt, sind schockierend. Genau das braucht man aber. Ich hoffe auf weitere Glanzstücke dieser Art. Sehr gut gemacht: Fünf Sterne!

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Kommentare

Brocéliande kommentierte am 19. März 2019 um 00:21

Ich schließe mich der Hoffnung auf weitere Glanzstücke von Emily Gunnis an - diese Autorin werde ich mir definitiv merken: Eine tolles Début! LG