Rezension

Im Schatten unserer Wünsche // Jeffrey Archer

Im Schatten unserer Wünsche - Jeffrey Archer

Im Schatten unserer Wünsche
von Jeffrey Archer

Bewertet mit 3 Sternen

Als Fan der ersten Stunde kann ich das Erscheinen der neuen Clifton-Teile immer kaum erwarten. Die Geschichte rund um die Familien Clifton und Barrington sowie um das Schifffahrtsunternehmen hat seinen ganz eigenen Charme und lässt sich noch nicht einmal recht in ein bestimmtes Genre pressen. Die Reihe hat etwas historisches, Dramaelemente und kann auch so spannend wie ein Thriller sein.

Es gibt einen König der Cliffhanger und der ist ganz ungeschlagen Jeffrey Archer. Das kann man mögen. Ich tue das nicht. Bereits in meiner Rezension zum dritten Teil habe ich mich darüber aufgeregt. Meiner Meinung nach ist es etwas „billig“, sich als Autor solcher Mittelchen zu bedienen, um seinen Leser an sich zu binden. Versteht mich bitte nicht falsch. Generell hab ich nichts dagegen, wenn, gerade innerhalb einer Reihe, am Ende eines Buches nicht alle Punkte aufgeklärt werden. Doch Archer hat diese nervige Angewohnheit, seinen Schnitt mitten in einer Szene zu machen. Das ist jedes Mal wieder ein riesen Kritikpunkt für mich und da das eben immer ganz am Ende des Buches passiert, bleibt das immer im Kopf.

Aber erst einmal zum eigentlichen Inhalt. Band 3 endete mit der rasanten Szene auf der Autobahn, in welcher Sebastian und sein Freund Bruno von einem Lkw von der Straßen gedrängt werden sollen. Zu Beginn von Im Schatten unserer Wünsche ist dieser Unfall bereits passiert. Der Anschlag auf die beiden jungen Männer war erfolgreich. Das Ergebnis: einer lebt, einer stirbt.

Wie auch schon in den Vorgängerbüchern wird der Cliffhanger aus dem Band davor aufgelöst und dann wendet sich der Autor gänzlich anderen Themen zu. So geschieht es auch dieses Mal wieder. Der Streit mit Don Pedro geht im vierten Teil in die nächste Runde. Der argentinische Geschäftsmann, der aufgrund des beherzten Eingreifens der Familien Clifton und Barrington vor kurzem ein „Vermögen“ verloren hat, schwört Rache an seinen Feinden. Er will das Ansehen aller Familienmitglieder schädigen, das Schifffahrtsunternehmen in den Ruine treiben und geht dabei auch über Leichen.

Der Haupthandlungsstrang verschiebt sich immer mehr, je weiter die Reihe voran schreitet. Während in den ersten Teilen Emma, Harry, Giles und (etwas weniger, aber doch) Grace im Vordergrund stehen, verkommt die eigentliche Clique immer mehr zu Nebencharakteren. Zum einen ist das nur verständlich, da Archer mit seiner Reihe nicht nur einen kurzen Zeitraum umfasst, sondern mehrere Jahrzehnte. Wo in Spiel der Zeit noch kleine Kinder unterwegs waren, findet man zwischenzeitlich Erwachsene, die selbst schon erwachsene Kinder haben. Da ist eine solche Perspektivenverschiebung irgendwo normal.

Allerdings reißt es die Geschichte etwas auseinander. Die liebgewonnenen Charaktere rücken immer mehr in den Hintergrund und vereinheitlichen etwas. Die prägnanten Charakterzüge verlieren sich und die ehemaligen Protagonisten verblassen zunehmend.

Auch die Kapitelzuteilung ist nicht mehr so haarscharf, wie man es gewohnt war. Das Buch ist immer in mehrere größere Abschnitte unterteilt, die durch einen Charakter und eine Jahresangabe eingeleitet wird. Also beispielsweise „Harry Clifton, 1912 – 1931“. In den Vorgängern war es dann tatsächlich so, dass man in den folgenden Kapiteln auch dieser Person folgte. Dessen Schicksal stand im Mittelpunkt. Doch auch hier verwäscht sich langsam alles. Die Geschichte von Im Schatten unserer Wünsche macht es notwendig, dass zwischen den Charakteren, die auch zahlreicher werden, immer öfter hin und her gewechselt wird. Es passte aber einfach nicht zu Archers Schema. Damit hätte er vielleicht besser brechen müssen.

Allerdings ist der Geschichte zu Gute zu halten, dass sie sehr viel komplexer erscheint als man es aufgrund der Vorgänger erwartet hat. Gegensätzliche Rachepläne werden geschmiedet und nach und nach in die Tat umgesetzt. Damit baute sich nach und nach eine wirklich gute Spannung auf. Außerdem schafft es Archer immer wieder, seinen Leser an der Nase herumzuführen. Immer wenn er die Geschichte in eine Richtung lenkt, schwenkt er ganz plötzlich wieder um und schmeißt alles wieder über den Haufen.

Und ich beende meine Rezension, wie ich sie begonnen habe: mit ein wenig Gemecker wegen eines erneuten Cliffhangers. Davon bin ich ja eh schon kein Fan, aber dieses Mal hat Archer es wirklich übertrieben. Da werden Absätze mitten im Satz gemacht. Also wir drehen hier ja keinen Actionfilm, bei aller Liebe. Wobei mir dieses Mal das Gefühl fehlte, dass ich Teil 5 unbedingt sofort haben muss. Da ist Archers Motivation nicht ganz durchgebrochen.

Auch wenn ich viel gemeckert habe in dieser Rezension, konnte mich Im Schatten unserer Wünsche ganz gut unterhalten. Zwar fehlte es hier und da an den vertrauten und liebgewonnenen Elementen, doch wenn man sich daran gewöhnt hatte, konnte man eine spannende Reise beginnen. Die Fehde zwischen Don Pedro und den Familie Clifton und Barrington dominiert das Buch ganz deutlich und doch gibt es hier und da kleine Einschübe, die ich nicht missen möchte. Selbstverständlich freue ich mich auch jetzt schon wieder auf den nächsten Teil.

 

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