Rezension

Im Vergleich etwas schwächer als Band 1

Wer die Lilie träumt - Maggie Stiefvater

Wer die Lilie träumt
von Maggie Stiefvater

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt
Die Suche nach dem verschwundenen König Glendower geht weiter. Blue, Gansey, Adam und Ronan scheinen ihrem Ziel immer näher zu kommen, insbesondere jetzt, da Ronan offenbart hat, dass er Gegenstände aus seinen Träumen in die reale Welt bringen kann. Doch die Traumwelt überlässt ihm nicht alles bereitwillig. Es gibt Regeln, an die er sich halten muss, Dinge, die er beachten muss, und noch ist Ronan nicht der Herr über seine Fähigkeit. Und nicht alles, was er aus seinen Träumen mitbringt, ist gut. Manchmal kann es sogar den eigenen Tod bedeuten...

Meinung
Wenn einem eine Buchreihe gefällt, will und sollte man am besten gleich weiterlesen. Mit meiner noch nicht ganz abgeflauten Begeisterung über "Wen der Rabe ruft" im Gepäck hab ich mich gleich auf Band 2 "Wer die Lilie träumt" gestürtzt. Zum Glück war die Fortsetzung keine schriftstellerische Enttäuschung, auch wenn Teil 1 für mich im Vergleich etwas besser abschneidet.
Wie ich ja schon beim Auftakt angemerkt habe, haben die Charaktere erheblich zu meinem Lesegenuss beigetragen und das gilt auch hier. Sie sind so wunderbar verschieden, kompliziert, gelegentlich auch anstrengend, aber trotzdem - oder genau deshalb - nie langweilig. Blue hält die Jungs gut auf Trab, weil sie ständig zwischen verständnisvollen und kratzbürstigen Momenten hin und her pendelt. In der Beziehung ähnelt sie mir ein bisschen, weshalb ich sie als Hauptfigur einfach mag bzw. mich mit ihr identifizieren kann. Außerdem mag ich ihre Schlagfertigkeit und dass man ihr zunehmend anmerkt, dass sie sich zwischen den Jungs wohlfühlt. Gansey wird weiterhin als die alte Seele im Körper eines Heranwachsenden charakterisiert, der manchmal ein kleiner Trampel im zwischenmenschlichen Bereich ist. Er tut mir des Öfteren leid, weil er immer die besten Absichten hat und es ihm einfach NIE gedankt wird. Besonders Adam benimmt sich wirklich unmöglich, wenn Gansey - oder überhaupt irgendwer - ihm Hilfe anbietet. Ich kann ja verstehen, dass er von niemandem abhänig sein möchte, aber ihm scheint nicht klar zu sein, dass er irgendwann alleine dasteht, wenn er immer alle vor den Kopf stößt. Genau wegen dieses Verhaltens ist er in meiner Gunst leider erheblich gesunken. Anders verhält es sich mit Ronan. Er steht in diesem zweiten Band wesentlich stärker im Mittelpunkt, da Maggie Stiefvater ihm einen handlungsvorantreibenden Erzählstrang zugewiesen hat. Außerdem wird man endlich über seine - ziemlich außergewöhnliche - Hintergrundgeschichte aufgeklärt, sodass man langsam durch sämtliche seiner Schichten zum Kern seines Wesens vordringt. Das hat mir sehr gut gefallen, da er inzwischen mein zweitliebster Raven-Junge ist (mit weiterem Steigerungspotenzial). Noah wiederum wurde erneut hoffnungslos vernachlässigt. Ich verstehe ja, dass sein jetziges Dasein nicht sonderlich berichtenswert ist, aber man könnte doch wenigstens Details zu seiner Vergangenheit einstreuen, oder?
Zu den bekannten Charakteren kommen zwei "neue" Personen, die für die Handlung wichtig sind: Mr. Gray und Kavinsky. Mit beiden wurde ich nicht sonderlich warm, was unterschiedliche Gründe hatte. Mr. Gray zum Beispiel ist ein wandelndes Phantom und ziemlich merkwürdig - vor allem sein Job: Er ist Auftragskiller. Was mich während des Lesens die ganze Zeit gestört hat, war die scheinbare Gleichgültigkeit sämtlicher Charaktere gegenüber diesem fragwürdigen Berufszweig. Vielleicht ist es ja in Amerika nicht so ungewöhnlich, dass jemand für seinen Lebensunterhalt Menschen umbringt, aber ich fand es einfach komisch, wie normal sie mit ihm umgegangen sind. So fiel zu den Figuren.
In Bezug auf den Handlungsverlauf bin ich zwiegespalten. Nach den ersten Kapiteln dachte ich, es würde gleich ans Eingemachte gehen, da der Start gleich recht blutig war. Aber dann ereignet sich erstmal lange Zeit nichts Bewegendes. Das soll nicht heißen, es wurde nichts passieren, nur war der Aufbau eher ein vorsichtiges Herantasten an das, was Maggie Stiefvater eigentlich im Sinn hatte. Dadurch hat sich nur sehr langsam Spannung aufgebaut, die sich dann erneut erst im letzten Viertel entladen hat. Bis es soweit war, wurden erstmal die Beziehungen und Emotionen der Figuren ausgelotet und man mit Mono- und Dialogen bei Laune gehalten. Die sind allerdings für mein Dafürhalten wieder so fantastisch geschrieben, dass ich über dieses Spannungsdefizit getrost hinwegsehen konnte. Außerdem versteht es die Autorin, eine Geschichte so zu verfassen, dass man sofort ein plastisches Bild im Kopf hat - definitiv ein Pluspunkt. Der Schluss ist wieder so gestaltet, dass zwar die Haupthandlung des Bandes mehr oder minder abgeschlossen ist, der übergreifende Plot jedoch bei Weitem nicht. Man hat eigentlich nur einen kleinen Schritt nach vorne gemacht.

Fazit
Im Großen und Ganzen bin ich mit der Fortsetzung sehr zufrieden. Ich liebe Maggie Stiefvaters Schreibstil und vor allem die Protagonisten haben es mir angetan. Allerdings haben sich einige Aspekte nicht ganz zu meiner Zufriedenheit entwickelt. Dennoch hält meine Begeisterung weiterhin an, sodass ich Band 3 euphorisch entgegenblicke.

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