Rezension

In den kritischen Tönen durch die enttäuschende zweite Hälfte etwas zu schwach. - Schade, wär mehr drin gewesen!

Der Store - Rob Hart

Der Store
von Rob Hart

Als eine aktuelle Version der Klassiker „1984“ und „Schöne neue Welt“ wird der Debütroman des US-amerikanischen Autoren Rob Hart angepriesen. Im September dieses Jahres erschien dann endlich „Der Store“ auch in den deutschen Buchhandlungen. Mich hat nicht nur das zugrundeliegende Szenario angesprochen: ein gewaltiges, marktführendes Onlineunternehmen, das nicht weniger als die Ideologie, ein perfekter Arbeitsplatz zu sein und Probleme der derzeitigen Gesellschaft und Klimapolitik zu lösen, verfolgt. Auch die äußere Gestaltung und das intensive Werben auf sozialen Netzwerken haben bereits im Vorhinein große Neugier in mir geweckt. Welche meiner Erwartungen an die Lektüre sie letztendlich erfüllen kann, das erfährst du in der folgenden Rezension. 
Recht schnell konnte mich der Autor für seine Handlung begeistern. Er gibt den Plot aus drei verschiedenen Perspektiven wieder, die jeweils total unterschiedliche Positionen in der Hierarchie des Unternehmens einnehmen. Somit bekommt der Leser einen vielschichtigen Einblick in die einzelnen Ebenen der Konzeption des Onlinestores und kann sich eine eigene Meinung über die dortigen Zustände bilden. 
Die drei Hauptfiguren, die aus der Ich-Perspektive von ihrer existenziellen Blase aus berichten und stellenweise aufeinandertreffen, fällen größtenteils nachvollziehbare Entscheidungen und verfolgen glaubwürdige Motivationen. Dabei erfährt man recht wenig über deren Hintergrundgeschichten, sondern konzentriert sich ungeniert auf ihren geistigen und tatsächlichen Umgang mit ‚Cloud‘. 
Dabei gestaltet sich aus meiner Sicht vorwiegend die erste Hälfte des Romans als außerordentlich spannend. Einzutauchen, wie dieses unvorstellbar riesige Unternehmen im Inneren aufgebaut ist und wie ein enormes Zahnrad funktioniert, bereitet große Freude. Dabei skizziert der Autor äußerst gelungen zum Teil heute schon erreichte Zustände und entwirft innerhalb des Konzerns eine gesamte Welt mit eigenem Wertekodex, Währungssystem und innerer Sicherheitswahrung, in die er geschickt zukunftsvisionäre Technikmöglichkeiten einbaut. 
Da, wo „Der Store“ so vielversprechend beginnt, enttäuscht der Roman leider in seiner zweiten Halbzeit auf vielen Ebenen. Er verliert sich zunehmend in überraschungsarmen, austauschbaren Handlungselementen, die das Spannungsniveau stark abbremsen. Man fokussiert sich geradezu krampfartig auf eine grotesk lächerliche und konstruierte Liebesgeschichte und dem inneren Konflikt über die Revolution gegen das Regime. Der konsum- und wirtschaftskritische Aspekt der dystopischen Zukunftsvision wird vollkommen außer Acht gelassen; vielmehr stürzt sich der Autor auf eine uninteressante Verfolgungsjagd, die für mich einfach nicht authentisch ist und daher nicht packt. 
Letzten Endes bleiben die kritischen Aussagen des Romans für mich eher blass und hinter ihrem Potenzial zurück. Ich erwarte ja keine umfängliche Predigt über die Ausbeutung und das Konsumverhalten durch Megakonzerne wie Amazon mit erhobenem Zeigefinger, hätte mir aber dennoch sowohl etwas klarere Ecken und Kanten als auch ein stärkeres, nicht so halbgares Ende gewünscht, das die Erwartungen erfüllen kann. Daher spreche ich eine Leseempfehlung an diejenigen aus, die sich vom Klappentext angesprochen fühlen und etwas Stoff zum Nachdenken benötigen – wahrscheinlich sollte man die Erwartungen als Leser aber etwas herunterschrauben.

 
„Der Store“ ist ein nicht ganz ausgereiftes Werk, das zwar unterhaltsam die Geschichte rund um den Megakonzern ‚Cloud‘ und der zugrundeliegenden Ideologie erzählt, leider aber hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt.