Rezension

In der Mitte fällt der Spannungsbogen in sich zusammen

Schneeblüte - Nancy Pickard

Schneeblüte
von Nancy Pickard

Klappentext:
Als sie das Mädchen im Schnee fanden, war sie tot. Niemand wusste, wer sie war. Ein Körper ohne Namen und Gesicht.
In derselben Nacht wollten Abby und Mitch zum ersten Mal miteinander schlafen. Doch dann verschwand Mitch. Abby wartete vergebens auf ihn.
Jetzt ist er zurück. 17 Jahre später. Drei Tagen nach der Beerdigung seiner Mutter. Auf der Suche nach der Wahrheit?

Einordnung:
"Schneeblüte" ist ein abgeschlossener Roman und kein Teil einer Reihe.

Rezension:
Die Kurzbeschreibung stimmt schon mal nicht. Nadine Newquist stirbt am 23. Januar, während ihr Sohn Mitch erst am Memorial Day, also am 31. Mai, nach Small Plains zurückkehrt. Im Verlauf des Buches wird erwähnt, dass keine Autopsie vorgenommen wird, sodass ich es für recht unwahrscheinlich halte, dass der Leichnam erst nach vier Monaten beerdigt wird. Außerdem wirft Tom Newquist, Nadines Ehemann, seinem Sohn vor, dass es jetzt schon ein bisschen spät dafür sei, das Grab der Mutter zu besuchen, als dieser im Mai nach Hause zurückkehrt.
Das Cover an sich gefällt mir aber sehr gut. Die rote Schrift hebt sich deutlich von den eisigen Farben des Hintergrundes ab. Da keine genaue Darstellung zu erkennen ist, entsteht der Eindruck als sei ein Schneesturm abgebildet. Damit ist eine wichtige Verbindung zum Inhalt des Buches geschaffen, denn mehrere Schneestürme spielen eine wichtige Rolle. Das Logo des Verlags ist farblich gut angepasst, sodass es den Gesamteindruck nicht zerstört.
Schon auf dem Cover ist das Buch als Thriller ausgewiesen. Wirklich spannend war die Handlung aber nicht. Im Zentrum der Geschichte stehen die Frage nach der Identität des toten Mädchens, sowie die Gründe der verschiedenen Charaktere, die Identität nicht zu offenbaren, sofern sie sie kennen. Es sind ziemlich stumpfe und skurrile Erklärungen. Einzig den Beweggrund des Mörders kann ich natürlich nachvollziehen. Welcher Mörder würde dem Sheriff schon erzählen, wie das Mädchen, das er umgebracht hat, heißt?
An dieser Stelle möchte ich dann auch erwähnen, dass ich nach der Hälfte des Buches wusste, wer der Mörder ist. Spätestens ab da war der Spannungsbogen vollkommen gebrochen. Da konnten auch haufenweise plötzliche Todesfälle nichts mehr dran ändern. Die Vorhaben oder Geheimnisse aller Charaktere sind so durchsichtig gestaltet, dass es bei all den Wirrungen und Offenbarungen nur eine einzige Tatsache gab, die ich nicht schon wusste, bevor sie schließlich erwähnt wird.
Ausnehmend gut gefallen hat mir dagegen die Komposition. Die aktuelle Handlung spielt im Jahr 2004, das Mädchen starb 1987. Zwischen den Jahren wird hin und her gesprungen. Es gibt also keine Monster-Dialoge einer Figur, die die Geschehnisse mit anderen Charakteren besprechen muss. Und auch durch Seiten voller Verben im Plusquamperfekt muss der Leser sich nicht quälen. Wenn ein Ereignis aus der Vergangenheit wichtig wird, spielt das nächste Kapitel direkt in der vergangenen Zeit und vor Ort, so wird die Handlung anschaulicher. Ein dicker Datumsstempel am Kapitelanfang weißt immer darauf hin, wenn es einen Wechsel gibt, sodass keine Verwirrung entsteht.
Dafür bin ich mit den Charakteren nicht wirklich warm geworden. Obwohl das Buch viel Auswahl liefert, habe ich zu keiner Figur eine so enge Bindung aufbauen können, dass ich mitgefühlt habe. Ich habe nicht mit gelacht oder geweint, ich war nicht entsetzt oder enttäuscht. Am meisten mochte ich noch Rex Shellenberger. Abby Reynolds ist mir zu liebenswürdig, Mitch Newquist zu feige, Patrick Shellenberger zu arrogant, die Newquist-Eltern waren mir von Anfang an suspekt und die Reynolds- bzw. Shellenberger-Eltern haben eine merkwürdige Auffassung von Freundschaft. Keines der Schicksale hat mich jedoch wirklich berührt.
Positiv kann ich aber den Schreibstil anführen. Das gesamte Buch war angenehm und flüssig zu lesen. Die Beschreibungen sind gründlich, aber gerade in Bezug auf die Leiche des Mädchens nicht zu detailliert. Für jede Situation werden die passenden Verben benutzt, um den Moment realistisch und nicht unter- oder übertrieben darzustellen. Eine solide Arbeit der Autorin, aber auch der beiden Übersetzerinnen.

Fazit:
Es gibt sowohl positive als auch negative Aspekte an diesem Buch. Die grundsätzliche Idee ist gut, die zweite Hälfte der Handlung hätte jedoch anders aufgebaut werden müssen, damit der mühsam errichtete Spannungsbogen nicht in sich zusammen fällt. Da Stil, Cover und Komposition gelungen sind, scheitert es am Inhalt. Da die ersten 200 Seiten aber durchaus lesenswert waren, bekommt „Schneeblüte“ von mir drei Schreibfedern.