Rezension

In diesem fesselnden Roman über hartnäckige Widerstandsfähigkeit kollidieren die Leben zweier Frauen

Cloris - Rye Curtis

Cloris
von Rye Curtis

Bewertet mit 4.5 Sternen

Kein Abenteuerroman im eigentlichen Sinn, denn es geht nicht vordergründig um das Überleben im hochalpinen Bergland nach einem Flugzeugabsturz in den Bitterroot Mountains, Montana/Idaho, noch weniger um einen echten Survival-Roman, sondern eher um eine „scripted reality.“ Das stolpernde Gestapfe der 72jährigen Mrs. CLORIS Waldrip gleicht eher einer begleiteten Solowanderung von Feuerstelle zu Feuerstelle.

Im Mittelpunkt stehen die Charaktere der Forest Ranger: Ranger Debra „Deb“ Lewis, Alkoholikerin, die Merlot (gezählte 63 Mal genannt) liebt und ohne Unterlass trinkt, vorzugsweise aus ihrer Thermosflasche. Logisch sie arbeitet/lebt in den USA; man möchte der lieben Deb gerne sagen, ‚den besten Merlot gibt es im Napa-und Sonoma-Valley.‘ Sie ist witzig, scharfzüngig, etwas zynisch, schwer gekränkt durch ihren Mann, von dem sie sich hat scheiden lassen, denn er hatte drei Ehefrauen! In anderen Bundesstaaten. Zu seiner Verteidigung sagte er, ‚er hätte viel Liebe zu geben.‘ Frauen verstehen das nicht.
Ranger Claude „Claudey“ Paulson, der nicht richtig tickt. Die anderen: Der eine „Pete“ strickt, Bloor, der andere, der sich ständig die Hände mit Kreide einreibt und seine Tochter Jill.

Mit einer unglaublichen Nonchalance beschreibt Cloris ihre 77 Nächte in der Wildnis und als stünde sie neben sich nennt sie ihren Ehemann Richard - Mr. Waldrip. Es fehlte noch, dass sie ihre Erlebnisse in der dritten Person schilderte. Sie reflektiert ihr vergangenes und ihr aktuelle Leben und macht sich Gedanken um die Zukunft, wobei es ihr nicht gelingt sich aufzuknüpfen. Es ist für Cloris wahrlich erstaunlich, dass der Wald voller Bäume ist.

Rye Curtis tritt mit seinem Debütroman CLORIS den Beweis an, dass er ein großartiger Erzähler ist. Die ziellose Wanderung in der Wildnis dient nur als Vehikel für die schmerzhafte Auseinandersetzung aller Protagonisten mit deren eigenem Ich. Oberflächliche Komik kontrastiert mit tiefer Tragik, ein spannender Roman ohne Sentimentalität, aber mit voller Empathie und dem Himmel sei Dank – frei nach Cloris – kein kitschig romantisches Ende, sondern ein tiefsinniges.

Koojee