Rezension

In einer lauen Sommernacht... Shakespeare lässt grüßen

Sommernachtsreigen - Anna Herzig

Sommernachtsreigen
von Anna Herzig

Bewertet mit 5 Sternen

Der Bertl und der Pawel treffen in einer lauen Sommernacht an einer Bushaltestelle am Wiener Brunnenmarkt aufeinander und kommen ins Gespräch.
Der Leser weiß von Anfang an, wie die Nacht ausgehen wird und welche Erkenntnis die beiden Männer erwartet. Den Kniff, dass die Erzählerin sich zu Beginn des Romans quasi selbst vorstellt, das Ende vorwegnimmt und als Beobachterin beim Geschehen dabei zu sein scheint, wirkt ein wenig wie der Epilog Pucks im Shakespearschen Sommernachtstraum: Der Leser (Zuschauer) wird höflich darauf aufmerksam gemacht, dass das, was er da vor sich hat, nicht real ist, nur ein Traum, nur Fiktion (wenn es ihm denn damit besser geht).

Doch - was Shakespeare-Fans und generell Leser allerorten wohl wissen: gerade die Literatur hält manchmal viel mehr Wahres und Echtes für uns bereit, als uns die Realität zu geben vermag. Und so tritt die Autorin/Erzählerin dann auch schnell wieder ab, um die Bühne ihren Protagonisten zu überlassen und den Leser in mittsommernächtliche Gefühls(ver)wirrungen mitzunehmen. 

Nach und nach offenbaren Bertl und Pawel sich ihrem jeweiligen Gegenüber. Und dabei nehmen sie kein Blatt vor den Mund. Fragen sind direkt und legen den Finger in so manche Wunde. Die Antworten sind entwaffnend ehrlich. Solche Begegnungen gibt es heute - so möchte man meinen - wohl nur noch selten: von Angesicht zu Angesicht und ohne jeglichen Filter (sei er digital oder selbstauferlegt, sprich gespielt). Vielleicht liegt darin die Faszination begründet, die die beiden Männer aneinander bindet, so dass sie sich schwer tun, sich voneinander zu trennen. Kann es nicht herrlich entwaffnend und erleichternd sein, wenn dein Gegenüber dich durchschaut? Wenn das auch noch in herrlich erfrischendem Wiener Dialekt geschieht - da fällt die Gegenwehr umso schwerer.

Anna Herzige möchte man herzen für dieses Buch (sorry, den konnte ich mir nicht verkneifen). Es zeigt die Liebe für das Echte, Unperfekte, Kaputte - vor allem in uns selbst. Die wahre Liebe hängt sich nicht an Erwartungen, sondern bietet dir einen Ort, wo du du selbst sein kannst, mit deiner ganzen Vergangenheit und allen deinen Fehler. Wo du trotzdem sicher und behütet bist und sein kannst, was du in eben diesem Moment bist. 

Ich finde das extrem romantisch. Ob es eine Gefühlsverirrung bleibt (wie bei Shakespeare) oder was Wahres wird - wer weiß das so genau? Und ist das überhaupt wichtig? Letztlich liegt die Interpretation in unser Hand - Puck/Anna Herzig überlässt uns die Wahl und da entscheide ich mich (weil der Sommernachtstraum in meinem Leben schon immer eine wichtige Rolle gespielt hat) - für den Glauben an die Liebe und den Zauber einer Sommernacht.