Rezension

In Zeiten des Internets

Das Verhältnis - Gabrielle Zevin

Das Verhältnis
von Gabrielle Zevin

Bewertet mit 4.5 Sternen

In Zeiten des Internets wird nichts vergessen. Das muss Aviva Grossman auf die harte Tour lernen. Ihr Verhältnis mit ihrem Boss zieht weite öffentliche Kreise und sie hat auch noch einen Blog über ihre Sexgeschichte geschrieben. Fatal. Sie ist dann diejenige, die alles ausbaden muss. Dabei war es ihr Boss, der Ehebruch begangen hat, ER war verheiratet, Aviva nicht, ER hat das Arbeitsverhältnis mehr oder weniger ausgenützt, um mit Aviva anzubandeln, ER spürte kaum Konsequenzen in seiner beruflichen Laufbahn, Aviva wurde als Schlampe abgestempelt und niemand wollte sie einstellen. Denn alles steht im Internet. Man merkt: Hier läuft einiges falsch.

Gabrielle Zevin gibt vier Frauen eine Stimme, die von diesem Verhältnis, der darauffolgenden Sensationsgier der Medien und den Doppelmoralaposteln in der Gesellschaft betroffen sind. Diese Geschichte zeigt Parallelen zu dem Fall von Monica Lewinsky, die eine Affäre mit Bill Clinton hatte, und ihr Leben lang damit konfrontiert wurde/wird.

Der Roman ist sehr klug aufgebaut. Es ist nicht wirklich eine zusammenhängende Geschichte, vielmehr wird ein Blick auf einzelne Personen gerichtet, die gerade die unterschiedlichsten Lebensphasen durchmachen.  Hintereinander wird aus fünf Perspektiven ein großes Ganzes gespinnt und Zevin bedient sich verschiedenster Erzählformen: Rückblenden, Gegenwartsform, E-Mails und Entscheidungsroman. Nach und nach werden große und kleine Geheimnisse aufgedeckt. Anfangs war ich etwas skeptisch, aber mein Durchhalten hat sich auf jeden Fall ausgezahlt. Es ist sehr leicht zu lesen und der Unterhaltungsfaktor ist sehr hoch. Die Autorin hat ihre Figuren liebevoll gestaltet und nicht versucht, in der Klischeekiste zu wühlen. Sie hat sie mit einer wohltuenden Portion Humor und starken Persönlichkeiten ausgestattet.  

Zevin appelliert daran, bei moralischen Fragen niemals die menschliche Seite zu vergessen und sie zeigt, dass gerade die Menschen, die mit erhobenen Zeigefinger dastehen, mit ihrem Verhalten oft zur schlimmsten Sorte Mensch gehören. Was mir sehr gefallen hat, waren die feministischen Aspekte, die sich konsequent durchs Buch ziehen und nie aufdringlich wirken. Es sind oft nur Kleinigkeiten, auf die sie aufmerksam macht, aber genau das schult den eigenen Blick auf die Strukturen um einen herum. 

Handlungsmäßig passiert relativ wenig. Von dem Verhältnis zwischen Aviva und ihrem Boss wird von den Personen ungefähr 20 Jahre später erzählt und das sehr Zeit gerafft. Manches wird nur angedeutet, es bleibt etwas oberflächlich. Eines muss man ihr aber lassen, Zevin streut die Informationen sehr gekonnt in die Geschichte, sodass man einige Aha-Momente beim Lesen bekommt. 

 

Fazit

Ein lesenswerter Roman, der wichtige Themen in eine unterhaltsame Form bringt. Frauenfeindlichkeit, Doppelmoral, Fehlverhalten der Medien, das Internet, um nur ein paar zu nennen, und das alles mit einer humorvollen feministischen Prise gewürzt. So zeigt die Geschichte die menschliche Seite eines medienwirksamen Skandals. Die Frauen erzählen hier ihre Sicht der Dinge und diese Sicht ist schon bei weitem überfällig!