Rezension

Indianisches Zukunftsszenario

Die Traumdiebe - Cherie Dimaline

Die Traumdiebe
von Cherie Dimaline

Bewertet mit 3 Sternen

Die Menschen haben ihre Träumen verloren. Sie träumen nicht mehr, was sich negativ auf ihr Leben auswirkt. Wenigen Ureinwohnern ist die Fähigkeit zu träumen erhalten geblieben, daher werden sie quer durch Kanada gejagt.

"Die Traumdiebe" ist ein dystopischer Roman, der sich dem Mythos um die indianischen Ureinwohner Nordamerikas verschrieben hat. 

Diese Dystopie spielt in einer Welt nach der Klimakatastrophe in Kanada. Gefühlt regnet es am laufenden Band, was die triste Stimmung des Romans hervorhebt. Es ist nass, es ist ungemütlich, und die Figuren werden quer durch Kanada gejagt.

Protagonist Frenchie hat sich notgedrungen einer Gruppe Ureinwohner angeschlossen, mit denen er um's Überleben kämpft. Als Kind hat der Teenager seine Familie verloren, und fand in den anderen Halt. Diese Gruppe ist eine Mischung aus Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, die sich gegenseitig unterstützen und dabei ihre indianische Kultur ausleben.

Die indianische Kultur ist zentral, und so wirkt dieser Roman wie ein mythisches Zukunftsszenario nordamerikanischer Ureinwohner. Er handelt von Riten, alte Sprachen, Sitten und Gebräuchen. Kinder und Jugendliche lernen jagen, Fallen stellen oder üben sich darin, ein Lager zu errichten. Dabei hatte ich ein Bild von einem modernen Indianerstamm im Kopf, der sich mit altem Wissen ausgestattet durch das Land schlägt.

Daher ist es für mich die alte Geschichte im neuen Gewand: Indianer werden ausgebeutet, flüchten, kämpfen und versuchen gleichzeitig ihre Kultur zu bewahren. 

Die titelgebenden Traumdiebe sind die 'Weißen', die ohne Träume kaum leben können und diese deshalb aus den Ureinwohnern extrahieren. Autorin Cherie Dimaline lässt Aspekt um die Träume in der Schwebe. Hierzu gibt es Andeutungen, manchmal wird das grauenhafte Schicksal einzelner Personen beschrieben, doch insgesamt bleibt die Vorgehensweise im Nebel, was dem Verlauf des Geschehens die Spannung nimmt.

Genauso bleiben die Hintergründe um die Klimakatastrophe wie allgemein der Verlust der Träume verborgen. Man erfährt nicht viel über die Mechanismen, Zusammenhänger oder Ursachen dieser zukünftigen Welt, sondern bleibt vollständig im Erleben der Gruppe verhaftet.

Die Handlung konzentriert sich somit auf die indianische Patchwork-Familie um Frenchie und ihre Flucht. Dabei wird die Geschichte der meisten Gruppenmitglieder vorgestellt, Frenchies Gedanken zur Situation stehen im Raum, und der zusammengewürfelte Stamm erlebt etliche Herausforderungen, die das Spannungslevel nur selten erhöhen.

Meinem Empfinden nach geht es bei „Die Traumdiebe“ gar nicht um den Klimawandel oder den dystopischen Charakter, sondern einzig und allein um das Vermächtnis indianischer Kultur. Cherie Dimaline versucht, den mythischen Aspekt der amerikanischen Ureinwohner in die Zukunft zu reflektieren, prangert dabei Ungerechtigkeiten der Vergangenheit an, und zeigt, dass trotz widrigster Umstände Sitten, Gebräuche und Rituale erhalten bleiben, was auf einen starken Zusammenhalt der indianischen Community schließen lässt.

Mir hat der persönliche Bezug gefehlt, und die Autorin hat es nicht ganz geschafft, ihn für mich herzustellen. Es ist mir schwergefallen, mich in diese Kultur und ihr Begehren einzufühlen. Vielleicht hätte es besser geklappt, wenn die Handlung komplexer oder tiefgreifender gewesen wäre. 

Im Endeffekt ist „Die Traumdiebe“ ein dystopischer Roman über die Ureinwohner Nordamerikas, der den Mythos um die indianische Lebensart in die Zukunft holt. Ich glaube, dass es Lesern, die größeres Interesse an dieser Kultur haben, besser als mir gefällt.