Rezension

Infantiler Möchtegernschocker

Der Geist - Richard Laymon

Der Geist, 6 Audio-CDs
von Richard Laymon

Bewertet mit 0.5 Sternen

Diese Rezension bezieht sich auf das Hörbuch.

Lange Autofahrt, Staus und der ewige Kampf gegen Langeweile - was kann es Besseres geben als ein Hörbuch, um die Zeit zu vertreiben? Richtig, im Falle dieses Buches wäre sogar das Zählen von blauen Autos spannender gewesen. Ich kann gar nicht sagen, wie entsetzt ich über diese Art von Lektüre bin. Was sollte das sein? Ein Horrorbuch? Sollte man da also nicht ein bisschen Angst verspüren? Den kalten Finger eines Geisterskeletts fühlen, der über das Rückgrat streicht und die Härchen aufstellen lässt? Ja, mir hat's die Haare auch aufgestellt, sogar aus Entsetzen - weil das Buch so dermaßen schlecht war, dass ich kaum weiß, wie ich anfangen soll, es zu erklären.

Fassen wir also zusammen: Sechs Studenten und ihre junge Professorin Coreen machen bei eben dieser Professorin ein bisschen Party. Dabei entdecken sie ein Ouijabrett und beschließen, es auszuprobieren. Natürlich funktioniert es, ein Geist erzählt ihnen von einem Schatz in den Bergen, und da die Studenten nichts anderes zu tun haben, beschließen sie, sich auf die Suche nach diesem Schatz zu machen. Die Studenten selbst sind vom Reißbrett: der Schüchterne und nicht so Selbstsichere (check), die Frau mit Vergangenheit (check), das Mädchen, das alles hat (check), die Dicke und Unbeliebte (check), der nervige starke Mann (check), der Mitläufer (check). Mit den Studenten wird ein Erzählstrang entwickelt, ein zweiter ergibt sich aus der jungen Professorin Coreen und ihrem alten/neuen Freund Chad, der mal eben nach 5 Jahren Abwesenheit wieder bei ihr auftaucht.

Nachdem Coreen und Chad am nächsten Morgen wieder aus der Kiste kommen (und nein, ihr vermutet richtig, damit ist kein Sarg gemeint), fällt ihnen auf, dass das Ouijabrett fehlt, genauso wie sämtliche Studenten, die bei der Party waren. Aha, messerscharf kombinieren sie, dass sich die Jungs und Mädchen auf den Weg zum Calamity Peak gemacht haben, den der Geist genannt hat. Jetzt kommt der erste Schmarren. Die etwa 30jährige Professorin fängt an zu heulen und behauptet, sie sei für die Studenten verantwortlich, die alle über 20 sind. Bestimmt sind sie alle in Gefahr und müssen von ihr gerettet werden. Chad hat eh nichts weiter vor, als seine Ex- und neue Flamme zu knallen, also sagt er "Ok, fahren wir halt hinterher".

In Zwischenzeit sind die Studenten in den Bergen angekommen und begegnen einem Irren ... Spätestens ab da wird es völlig abstrus. Erst einmal: Wenn ich der Meinung bin, jemand will mich oder andere aus meiner Gruppe töten, benachrichtige ich die Polizei. Die Schatzsuche kann ich ja erst mal verschweigen. Aber nein, diese Studenten nicht. Sie werden zwar mehrmals angegriffen, aber das tut dem Spaß an der Sache keinen Abbruch, die sind so superschlau, diese Studenten (sorry, ich kann das nicht oft genug wiederholen: STUDENTEN - man sollte doch also eine Grundintelligenz vermuten können!) die marschieren einfach weiter und schreiben dem Irren höchstens mal ein lustiges Zettelchen. Eigentlich interessiert sie die Gefahr für Leib und Leben nicht wirklich, denn sie müssen sich in vorpubertärer Weise mit dem anderen Geschlecht befassen. Der Autor liebt übrigens die Begriffe "Brüste" und "Penis", er verwendet sie in inflationärem Maße - jedes Mal, wenn diese Worte kamen, hatte ich Laymon vor Augen, der wie ein 13jähriger in sich hineinkicherte (was zugegebenermaßen tatsächlich gruselig ist).

Irgendwann kommen Coreen und ihr Stecher hinterher und rauschen in dieselbe Gefahr. Übrigens war ich spätestens, als die Frau Professorin und ihr Freund auf das leere Auto treffen von ihren so dermaßen unlogischen Schlussfolgerungen dieses Auto betreffend genervt, dass ich fast das Hörbuch abgebrochen hätte. Auch später hat mich die Dummheit dieser Professorin (!!!) so genervt, dass ich mir an der Stelle, wo sie und Chad am Berg zurückbleiben nur noch dachte: Bitte, stürz ab und erlöse mich von dir und deinen idiotischen Einfällen. Leider kann ich nicht spoilern und euch erzählen, ob sie mir wenigstens diesen Gefallen erwiesen hat.

Die letzten 30 Minuten waren schwachsinniger Splatter, bei dem von allen Beteiligten immer genau das getan wurde, was das Allerallerallerdümmste ist, das in so einer Situation angemessen wäre. Die Erkenntnis, die ich gewann, war übrigens, dass Männer nur schwer zu töten sind. Ob man sie ca. viermal in Brust und Rücken schießt, Berge runterstürzen lässt, oder sie von einem reißenden Strom mitgerissen werden - no problem. Die stehen danach wieder auf. Ehrlich. Männer können das. Echte Männer sind auch mit gebrochenen Beinen in einer superlebensgefährlichen Lage noch lässig drauf und scharf auf ihre Freundin. Völlig normal.

Nehmen wir dazu, dass sich der Schreibstil dadurch auszeichnet, dass sich Wiederholungen häufen, dass sich die am meisten verwendeten Worte auf Geschlechtsteile beziehen, sich gefühlte 200 Minuten mit Softpornoszenarien beschäftigen, gegen die selbst die Storys von Samantha Young noch erotisch wirken und die lediglich das Bedürfnis aufkommen lassen, ins Kloster zu gehen, dann haben wir ein umfassendes Paket übers Bücherschreiben geschnürt, bei dem man lernt, wie es nicht gemacht werden sollte.

Natürlich gibt es bei der ganzen Sache einen positiven Aspekt, und das ist der Sprecher. Matthias Lühn ... nun ja. Er gibt dem Sprichwort "Perlen vor die Säue" eine gänzlich neue Bedeutung. Er verleiht den blutleeren Protagonisten Stimme und Charakter, die sie vom Autor nicht bekommen haben. Er allein rettet die Geschichte vor Minuspunkten, er allein ist es wert, positiv erwähnt zu werden.

Fazit: Genialer Sprecher an ein spannungsloses, pubertäres, unspektakuläres und gänzlich unsympathisches Buch verschwendet.