Rezension

Infoebene i.O., aber handwerklich schwach.

Codex 632. Wer war Christoph Kolumbus wirklich? - J. R. Dos Santos

Codex 632. Wer war Christoph Kolumbus wirklich?
von J. R. Dos Santos

Bewertet mit 3 Sternen

Wenn man sich damit zufriedengeben kann, hpts. auf informativer Ebene zu lesen und all die schriftstellerischen Schwächen ausblenden, dann bekommt man Unterhaltung für paar Stunden.

Diese Ausführungen eigenen sich vllt als Feierabendlesestoff recht gut. Als einen Roman kann ich sie aber kaum bezeichnen. Das Ganze hat größere Ähnlichkeit mit einem zu lang geratenen Zeitungsartikel. Kein Wunder, der werte Autor war ja mal ein Journalist. Und seitdem hat er seine handwerklichen Fertigkeiten wohl kaum verbessert. Ein Rezensent hat zu einem der späteren Werken des Autors Folgendes geschrieben: „Die zahllosen wissenschaftlichen Fakten, die der Autor… seinem Protagonisten in den Mund legt, werden öde linear dargeboten, es fehlen schickt ausgestreute Andeutungen und Vermutungen, die zu turbulenten Schnitzeljagden Anlass bieten, um sich dann wieder zu zerschlagen, um erst nach mehreren Wendungen in einem überraschende showdown zu münden.“ All dies stimmt leider auch hier. Diese lineare, primitive Handlung; die leblosen, marionettenhaften Figuren, obwohl hier versucht wurde, auf die Emotionen der Leser einzuwirken, leider zu stümperhaft; die Infoversorgung, die in endlosen, stumpf abgehaltenen Dialogen abläuft, so redet kein Mensch; die Motive sind schon sehr abgedroschen uvm. konnten bei mir auf keine Begeisterung stoßen. Das ist zu sehr a lá Möchte-gerne-kann-nicht-so-recht. Ich fühlte mich nicht abgeholt. Dafür kann der werte Autor aber im Fach Recherche glänzen.

Klappentext beschreibt die Eckpunkte recht gut: „Den Geschichtsbüchern zufolge hat ein ungebildeter Seidenweber aus Genua es geschafft, die Spanischen Könige von seinem kühnen Plan zu überzeugen: Er wollte gen Westen segeln, um einen neuen Seeweg nach Indien zu finden.
Wer sich mit den Details befasst, kann die Ungereimtheiten dieser Theorie kaum ignorieren. Doch weshalb waren sowohl Kolumbus selbst als auch zwei konkurrierende Königshöfe daran interessiert, die wahre Identität des großen Admirals und Seefahrers um jeden Preis zu verschleiern?
J.R. Dos Santos zeigt anhand zahlreicher Indizienbeweise und handfester Fakten auf, was gegen die offizielle Version der Entdeckung Amerikas spricht und warum dieses Geheimnis seit 500 Jahren so streng gehütet wird.“

Es geht also darum, die Identität des Kolumbus zu ermitteln. Dies wird einem doppelt und dreifach vermittelt und zum Schluss nochmals zusammengefasst wiederholt. So viel zu den antizipierten geistigen Fähigkeiten der Leser, die der werte Autor an den Tag gelegt hat.

Der Rahmen der Handlung sieht folgendermaßen aus: Eine Stiftung mit dem Sitz in den USA beauftragt den jungen Historiker, der an der Universität in Lissabon arbeitet, die Arbeit seines vor Kurzem verstorbenen Kollegen fortzusetzen und ermitteln, wer Kolumbus tatsächlich war. So wird die Handlung in Gang gesetzt.

An mehreren Stellen hatte ich nur Kopfschütteln übrig. Milde gesagt. Die Figuren erzählen einander Allgemeinplätze, die Dinge, die sie eigentlich kennen dürften, z.B. der Ehemann erzählt seiner Ehefrau, dass er ein Historiker ist. Endlich erfährt sie es auch ;-). Weiter unterhalten sie sich über die Bedeutung der Kamelienfarben in Anlehnung an den entspr. Roman von A. Dumas. Es handelt sich wieder um die zu plump geratene Infoversorgung der Leser, die für sehr unterbemittelt gehalten wurden. Auf die Blumensprache wurde später mehrmals eingegangen. An sich nett, aber an dem Wie hätte man gern noch arbeiten können.

So manche Wendung in der Handlung, davon gibt es doch einige, wobei der Überraschungseffekt oft zerredet wurde, war schon sehr vorausschaubar, z.B. was das Auftauchen der neuen hübschen Studentin und ihre Motive oder auch was den Tod des Kollegen anging.

Am Ende ist die Frage der Identität, anhand von Indizien, zwar geklärt, es bleibt aber leider ein schaler Beigeschmack. Man hätte aus dem Stoff einen wirklich spannenden Thriller machen können. Wenn man dies denn könnte.

3 Sterne mit viel Wohlwollen vergebe ich hier. Wenn man sich damit zufriedengeben kann, hpts. auf informativer Ebene zu lesen und all die schriftstellerischen Schwächen ausblenden, dann bekommt man Unterhaltung für paar Stunden.