Rezension

Informationsflut extraordinär

Papyrus -

Papyrus
von Irene Vallejo

Bewertet mit 5 Sternen

Schriftliche Innovation über die Zeit hinweg

„Papyrus - Die Geschichte der Welt in Büchern“ oder auch „El infinito en un junco: La invención de los libros en el mundo antiguo“, ist der spanische Titel des Fachbuchs über Bücher, ihre Entstehung und Bedeutung. Geschichten und Erzählungen faszinierten die Menschheit schon lange, doch diese über die Zeit zu retten und zu konservieren war eine Innovation und eine lange Entwicklung. Der Sachverstand der spanischen Autorin Irene Vallejo zu diesem Thema ist ungemein umfangreich. Bewundernswert auch ihre Wortgewandtheit und Gedankengänge, die mich in diesem Werk enorm beeindruckt und angeregt haben. Besonders ihre Vergleiche, Bezüge aus der Antike mit ihren Entwicklungen bis in unserer Gegenwart hinein aufzuzeigen, fand ich ungemein interessant und spannend. 

Irene Vallejo schreibt dabei sehr sprunghaft, ein Gedanke, eine Anekdote, eine interessante Geschichte jagt die nächste. Oft fühlte ich mich bei der Lektüre aufgehalten, meinen eigenen Gedankengängen nachzujagen. Die Lust über eine der Begebenheiten nachzudenken oder sie zu vertiefen. Es ist kein einfach zu lesendes Buch, nichts gleitet flüssig dahin. Viele Ecken und Kanten, die mich hier oder da anstießen, aufhielten und anregten über das Geschriebene nachzusinnen. 

 

Im Großen und Ganzen, ist das Werk in zwei Teilbereiche eingeteilt:

Die griechische Antike und ihre Klassiker mit dem Streben nach Weisheit und Wissen. Im zweiten Teil geht es um Rom und die römische Identität. Dabei prägte Alexander der Große, als Sammler des Wissens und Vorreiter, den römischen Traum von Weltbürgerschaft. Die Erlassung von Caracalla „Constitutio antoniniana“, aller Bürger als Römer im gesamten Imperium, war damals fast schon revolutionär. Eine Weltbürgerschaft, welch ein großer und moderner Gedanke! Gerade in unserer instabil gewordenen Realität, dem Zerfall in Ost und West, mit der Frage nach Gut und Böse, sind wir von diesem Gedanken fast schon wieder Welten entfernt, wie schade!

Es ist ein großartiges Gefühl diese Informationen, dieses Wissen aus der Antike aufzusaugen, zu überdenken oder einfach nur zu genießen. Mich hat die Autorin mit ihrer Leidenschaft für Bücher, Vielfältigkeit und Wissensflut überrascht und begeistert. In der Leserunde waren die Meinungen dazu sehr zwiespältig. Ein Buch, das Geduld benötigt, Ausdauer und Teilen von Interessen ist nicht jedermanns Sache. Es ist eben nicht nur ein Fachbuch, da sich auch viel Persönliches der Autorin in den Seiten verbirgt. Ich mag gerade diese Mischung sehr gerne, habe mich darauf eingelassen, mir Zeit beim Lesen gelassen und mir immer wieder einen Abschnitt vorgenommen, wenn ich Lust auf die Thematik und mehr Wissen hatte. Die Lektüre fühlte sich für mich wie eine Art Zwiegespräch zwischen der Autorin und ihren Lesern an, immer wieder unterbricht sie das „Gespräch“, da ihr etwas Neues zu dem Erzählten einfällt, das sie noch schnell loswerden will. Ungebremst tobt Vallejo durch über 700 Seiten, um uns Erstaunliches über die Welt der Bücher zu berichten, ein Genuss, der ein hohes Maß an Konzentration fordert. 

 

Mein Fazit: 

Ein sehr persönliches Fachbuch über eine grandiose Bücherliebe, die mir die Autorin glaubhaft vermittelt, etwas anstrengend, aber auch unfassbar interessant. Habe das Buch sehr genossen, es weckt Lust auf mehr Abenteuer in der Bücherwelt und enthält dafür wirklich zahlreiche Anregungen und Ideen. Grandios!