Rezension

Innovativ

Vivian - Christina Hesselholdt

Vivian
von Christina Hesselholdt

Bewertet mit 4 Sternen

So ein Buch habe ich noch nie gelesen. Es ist eigen, originell und hat einen ganz speziellen Charme.

Wikipedia:
„Vivian Dorothy Maier (* 1. Februar 1926 in New York; † 21. April 2009 in Chicago) war eine US-amerikanische Staatsbürgerin französischer Prägung, Kindermädchen, Haushälterin und Amateur- bzw. Freizeitfotografin. Bekanntheit erlangte Maier erst kurz nach ihrem Tod durch die zufällig entdeckte, unfreiwillig versteigerte Hinterlassenschaft einer ungewöhnlich großen Zahl fotografischer Schwarzweißaufnahmen.“

 

Eine wirklich kuriose Vita. Wer war diese Frau, die als Kindermädchen arbeitete aber immer und überall nahezu besessen fotografierte?

Diese Frage behandelt dieses Buch auf ganz eigene Weise. Eine Romanbiografie in Stichworten kann man es vielleicht nennen. Vivian Maier erzählt aus ihrem Leben und unterhält sich mit einem Erzähler darüber, eine Art Schlagabtausch, der witzig und aufschlussreich ist. Zusätzlich melden sich noch die unterschiedlichsten Menschen zu Wort, die in ihrem Leben eine Rolle gespielt haben und erzählen von ihrer eigenen Situation aber auch davon, was sie mit Vivian erlebt haben. 

Die Kapitel sind kurz, manchmal sind es sogar nur wenige Sätze, stellen aber Vivians sehr speziellen Charakter sehr schön dar. Sie war eine Einzelgängerin, menschenscheu aber nicht schüchtern, eine Frau, die weiß was sie will. Sie wollte ihre Ruhe haben und Fotos machen, sah ständig Motive, die festgehalten werden müssen und die sie dann sammeln konnte, ohne ihre Werke der Öffentlichkeit zu präsentieren.  Warum so jemand ausgerechnet Kindermädchen wird ist eine Frage, die offen bleibt.

Die Handlung selbst, also der Verlauf von Vivians Leben, geht dagegen etwas sprunghaft voran. Eigentlich sind es eher Impressionen aus ihrem Leben als eine stringente Handlung. Das ist zwar kunstvoll, hat mir aber weniger gefallen. Man springt von ihrer Kindheit in ihre 40er Jahre und dann wieder zurück zur Teenagerzeit. Ich hatte etwas Schwierigkeiten, mich darauf einzulassen.

Außerdem haben mir Fotos gefehlt. Ein Buch über eine Fotografin ohne Fotos ist deutlich verschenktes Potenzial. Viele ihrer Aufnahmen werden beschrieben, auch die Situationen, während denen sie entstanden sind. Man kann sie mit etwas Glück bei Google finden, grandios wäre es gewesen, sie im Buch zu entdecken. Wenigstens Fußnoten, die zu einer Bildergalerie irgendwo im Web führen, hätte man leicht einbauen können und hätten diesen spannenden biografischen Roman zu einem Erlebnis machen können.

Trotzdem hat mir das Buch gut gefallen. Es hat mir unterhaltsam und sehr originell eine ganz besondere Frau nahegebracht, von der ich vorher noch nie gehört hatte. Diese höchst innovative Art, eine Biografie zu schreiben, sollte Schule machen.