Rezension

Innovativ, aber holprig

The Bone Season - Die Träumerin - Samantha Shannon

The Bone Season - Die Träumerin
von Samantha Shannon

*Worum geht’s?*

2059, London: Paige Mahoney verfügt über eine besondere Fähigkeit. Sie ist eine Traumwandlerin, eine seltene Seherin, die in die Traumlandschaften anderer sehen und eindringen kann. Diese Kraft verleiht ihr eine enorme Macht, die sie jedoch um jeden Preis geheim halten muss. Denn in der Welt, in der Paige lebt, werden Seher verfolgt und getötet. Die einzigen, denen sich Paige anvertrauen kann, sind die Mitglieder ihres Syndikats, die sich allesamt selbst im Untergrund Londons versteckt halten müssen. Als Paige eines Tages bei einem Auftrag für das Syndikat entdeckt und erwischt wird, wird sie in eine geheime Stadt gebracht, in der fremde Wesen herrschen: die magischen Rephaim. Dort wird sie Arcturus unterstellt, dem sie von nun an als Sklavin dienen muss. Für Paige ist der junge Rephait mit den goldenen Augen ein abscheuliches Rätsel. Sie will ihre Freiheit zurück - um jeden Preis. Doch dann rettet Arcturus ihr das Leben und Paige beginnt zu zweifeln. Ist er Rephait Freund oder Feind?

 

*Meine Meinung:*

Samantha Shannon hat mit ihrem Debüt "The Bone Season - Die Träumerin" eine enorme Begeisterungswelle ausgelöst. Die blutjunge Autorin hat den Auftakt ihrer Reihe, die insgesamt sieben Bände umfassen soll, auf Anhieb in über 20 Ländern verkauft und auch eine Verfilmung ist bereits geplant. Sie wird von allen Lesern gefeiert, in den englischsprachigen Medien sogar als "neue J. K. Rowling" bejubelt. Auch wenn ich kein Fan solcher Vergleiche bin, muss ich gestehen, dass ich dadurch sehr hohe Erwartungen an "Die Träumerin" gestellt habe. Ich wurde nicht enttäuscht - aber restlos begeistert bin ich auch nicht.

 

Samantha Shannon ist ein kreatives Köpfchen, das steht ganz außer Frage. Sie hat in ihrem Debüt "The Bone Season - Die Träumerin" eine komplexe und faszinierende Welt geschaffen, die die Begeisterungsstürme definitiv verdient hat. Einen Zugang zu dieser fremden Welt zu bekommen ist allerdings alles andere als leicht. Komplizierte Verstrickungen, undurchsichtige Gesellschaftsstrukturen und unzählige Begriffe, mit denen man zunächst nichts anfangen kann, gestalten den Einstieg in das Buch mühselig.

 

Mit jeder Seite, die man liest, und mit jeder Information, die man bekommt, kommt allerdings Licht ins Dunkel. Man findet sich mit der Zeit immer besser in der Welt zurecht, aber die alles entscheidende Hürde, um voll und ganz in das Buch abtauchen zu können, ist auch nach der Hälfte des Romans noch nicht überwunden. Shannon kann neugierige Leser sicherlich fesseln, aber "Die Träumerin" ist alles andere als leichte Abendlektüre.

 

Die Charaktere stecken wie die Welt, in der sie leben, voller Geheimnisse. Leider wird man durch die Umgebung, in der sie sich zurechtfinden müssen, viel zu stark abgelenkt, um sich auf die Figuren konzentrieren zu können. Dadurch fällt es zunächst sehr schwer, einen Draht zu ihnen aufzubauen. Besonders bei Protagonistin Paige hatte ich das Gefühl, den Anschluss an ihre Figur verpasst zu haben, nachdem ich ihr endlich meine volle Aufmerksamkeit schenken konnte. Viele ihrer Handlungen und Reaktionen erschienen mir übertrieben oder unlogisch und nicht selten kam mir Paige eher vor wie eine sture Göre als eine starke Protagonistin. Dass Paige eine Hauptfigur ist, die ich tatsächlich sieben Bände lang begleiten möchte, hat sie mir wie viele andere Charaktere nicht auf Anhieb bewiesen. Doch je mehr Seiten ich mit ihnen verbrachte, je besser ich sie kennenlernte, desto deutlicher wurden mir ihre Persönlichkeiten, ihre Stärken und Schwächen, ihre Ecken und Kanten und desto stärker wuchsen sie mir ans Herz.

 

Mit dem letzten Drittel des Auftakts schafft es Samantha Shannon schließlich auch Spätzünder wie mich für ihre Geschichte zu begeistern. Ist man mit der Welt, ihren Begebenheiten und ihren Bewohnern erst einmal warm geworden, bekommt man die einzigartige Atmosphäre zu spüren, die sich durch die Seiten zieht. Spannung kommt auf, die einen endlich rücksichtslos an die Geschichte bannt, und bringt viele Fragen und Antworten mit sich, die augenblicklich Lust auf die Fortsetzung machen. Leider wird diese noch auf sich warten lassen, da die junge Autorin derzeit noch am zweiten Band schreibt.

 

Kaum hat man das Buch aufgeschlagen, wird man bereits von zwei großartigen Extras begrüßt, die einem die Lust aufs Lesen noch stärker versüßen. Denn auf den ersten Seiten findet sich nicht nur eine Karte, die den primären Handlungsort Sheol I aufzeigt, sondern auch eine detaillierte Darstellung der verschiedenen Seher-Typen und ihrer Kräfte. Solche kleinen Geschichtszuschläge lassen das Leserherz gleich viel höher schlagen!

 

Auf den letzten Seiten findet man zudem ein weiteres tolles Extra, das mir beim Lesen eine große Hilfe war und eine großartige Ergänzung zur Landschaftskarte und Übersicht darstellt: ein Glossar. Dort findet man eine ausführliche Auflistung aller fremdartigen Begriffe, die einem in "The Bone Season - Die Träumerin" begegnen, mitsamt einer leicht verständlichen Definition. Ohne dieses Verzeichnis wäre ich in so manchem Kapitel verzweifelt. Nichtsdestotrotz muss ich gestehen, dass es mir wesentlich besser gefallen hätte, wenn die Autorin die einzelnen Begriffe im Geschichtsverlauf erläutert hätte.

 

*Cover:*

Das deutsche Cover ist dem englischen Original sehr ähnlich und ich bin sehr froh darüber, dass der Verlag sich dafür entschieden hat! Denn das Cover ist ein absoluter Hingucker, der aus der Masse heraussticht und mit seinen feinen Details überzeugt. "The Bone Season - Die Träumerin" zeigt, dass es auch ohne das übliche Mädchengesicht funktioniert.

 

*Mein Fazit:*

"Die Träumerin", der Auftakt der siebenteiligen "The Bone Season"-Reihe aus der Feder der blutjungen Autorin Samantha Shannon, ist ein Buch, das mich mit gemischten Gefühlen zurückgelassen hat. Nach der letzten Seite bin ich begeistert von den kreativen Ideen der Autorin, der einzigartigen Atmosphäre ihrer magischen Welt und den komplexen Charakteren. Doch der Einstieg in die Geschichte fiel mir alles andere als leicht. Bis zum letzten Drittel konnte ich mich weder mit den Gesellschaftsstrukturen noch mit den vielen fremdartigen Begriffen anfreunden. Es war schlichtweg "too much", wodurch mir auch für lange Zeit der Zugang zu den Charakteren verwehrt blieb. Letzten Endes konnte mich Samantha Shannon doch noch von sich und ihrem Debüt überzeugen, aber bis dahin war es ein steiniger Weg für uns. Für "The Bone Season - Die Träumerin" vergebe ich gute 3 Lurche.