Rezension

Insel der Waisen

Insel der Waisen - Laurel Snyder

Insel der Waisen
von Laurel Snyder

Bewertet mit 4.5 Sternen

Herzlich willkommen auf der Insel der Waisen! Du hast einen schweren Abschied und eine mühsame Fahrt in diesem Boot hinter dir, aber hier wird es dir gut gehen. Auch wenn wir anderen Kinder etwas traurig darüber sind, dass deine Ankunft für uns mit einem schmerzhaften Abschied einhergeht. Denn wenn du das Boot verlassen hast, um zu uns auf die Insel zu kommen, muss ein anderes Kind sie wieder verlassen. Ein Kind, das hier viele Jahre verbracht hat und welches wir seit unserer Ankunft an unserer Seite hatten. Der Abschied wird nicht leicht für uns – gib uns ein paar Tage, dann werden wir dir zeigen, wie schön unsere Insel ist. Du wirst die wichtigsten Dinge lernen, die für deinen Aufenthalt wichtig sind. Und eines Tages wirst du es sein, der sich von dieser wunderschönen Insel verabschieden muss. Aber bis dahin, genieß die Zeit und die schönen Dinge, die dir das Leben und deine Kindheit hier versüßen werden.

Mit diesen Worten könnte jedes der neun Kinder auf der Insel empfangen worden sein. Auch Jinny, die wir Leser zu Beginn der Geschichte „Insel der Waisen“ in den dunkelsten Stunden ihres bisherigen Lebens kennenlernen. Als die Glocke ertönte, wusste sie, dass ihre schlimmste Befürchtung nun wahr werden wird. Denn – ein Junge und ihr bester Freund, der sie seit ihrer Ankunft begleitet hat – muss die Insel verlassen und sie wird als Älteste ein „Mündel“ erhalten. So war es immer und so wird es bleiben.

Neun Waisen auf einer Insel, allein auf der Welt. Einer mehr und der Himmel fällt …

Ich als Leserin durfte Jinny durch ihr vermeintlich letztes Jahr auf der Insel begleiten und erleben, wie sie ihre Aufgabe, sich um den Neuankömmling zu kümmern, meistert. So lernte ich die Insel und ihre Eigenheiten Stück für Stück kennen. Viel mehr noch lernte ich jedoch Jinnys Persönlichkeit und das Gruppengefüge der Gemeinschaft kennen. Für mich persönlich war es sehr erstaunlich, wie wenig Kinder benötigen, um geborgen aufzuwachsen: Eine sichere Umgebung, Nahrung (Süßigkeiten nicht vergessen!), Freunde und Bücher.

Die Handlung verläuft sehr bedächtig, jedoch habe ich mich in keinem Kapitel gelangweilt. Sehr gerne habe ich Jinny durch ihre verbleibende Zeit auf der Insel und in ihrem Prozess des Erwachsenwerdens begleitet. Sie sträubt sich dagegen, die Insel zu verlassen. Metaphorisch gesehen ist der Abschied von der Insel, ein Abschied von der eigenen unbeschwerten Kindheit. Und Jinny selbst möchte den Zeitpunkt bestimmen, wann sie zu diesem Abschied bereit ist.

Wer in dieser Geschichte auf der Suche nach konkreten Antworten ist, wird sie erfolglos beenden müssen. Vielmehr muss man zwischen den Zeilen lesen, philosophieren und vieles selbst interpretieren. Das kann für den einen oder anderen jüngeren Leser aufreibend sein. Jedoch werden sich alle Leser auf der „Insel der Waisen“ sehr wohlfühlen. Auch ich habe dort viele schöne Lesestunden verbracht und zusammen mit Jinny die Schönheit eines jeden Tags genießen dürfen.

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