Rezension

Inspirierende Bilder

Steve McCurry: Lesen - Paul Theroux

Steve McCurry: Lesen
von Paul Theroux

Bewertet mit 4.5 Sternen

"Aufgewachsen in einer Zeit verbotener Bücher, einer Zeit, in der manch ein Schriftsteller als Geächteter galt, übte diese offenkundige Verruchtheit auf mich eine große Faszination aus.“ S.8

 

Heutzutage und vor allem in unserer Gesellschaft ist das Lesen selbstverständlich geworden. Man sieht Menschen im Alltag überall mit etwas Lesbarem, sei es in der Bahn, im Bus, im Café oder eben im Internet. Besonders das Internet scheint den Eindruck des Lesens sehr zu prägen. „Bookstagram“ zeigt sich da zum Beispiel von einer ganz eigenen Seite. Meist fehlt aber dieser Moment des Lesens selbst auf den Bildern, der zeigt, wie sehr wir in der Welt der Bücher gefangen sind. Und genau da greift das Buch „Lesen“ von Steve McCurry, welches mit einem tollen Vorwort des Autors Paul Theroux („Hotel Honolulu“) ergänzt wurde, gekonnt ein. Er zeigt eben diese intimen Momente des Lesers, in denen er gebannt ist, in denen er fasziniert ist oder sich einfach gut unterhalten fühlt. Dabei spielt es auch kaum eine Rolle was man liest, es können Zeitungen, Bücher, Religionsbücher oder etwas anderes Niedergeschriebenes sein. Es ist faszinierend zu sehen, wie Menschen auf der ganzen Welt durch das Lesen eine Verbundenheit aufbauen, obwohl sie auf den ersten Blick sonst nichts gemeinsam zu haben scheinen. Was mir zudem noch umso besser an diesem Bildband gefällt, ist der Fokus auf die „exotischen“ Länder. Leser, die wir durch die andere Umgebung ganz neu kennenlernen und uns dennoch identifizieren können. Das stille Lesen am Küchentisch, die kurze Lesepause im Park während der Vorlesungen , das Eintauchen in ein Buch mit einem Freund. All dies bekommt durch Steve McCurrys einen ganz eigenen und einen ganz neuen Glanz, der einen tatsächlich verzaubert. Und obwohl es immer ums Thema und scheinbar um das selbe Motiv des „Lesers“, wie auch des „Lesens“ geht ist kein Bild wie das andere, es ist so vielseitig, wie die Menschen, die man dort sieht.

 

"Daran hat sich bis heute an den High Schools und am College nichts geändert - bekannte Namen werden den anderen vorgezogen, und der Grund dafür ist sicherlich, dass - leider - die Zeit begrenzt ist. Das ist eine wahre Schande, denn Lesen ist nichts, was man in Schubladen einsortieren kann, Lesen ist eine Kompetenz, ein Vergnügen, das auf Anregungen angewiesen ist, um sich zu einer lebenslangen Leidenschaft entwickeln zu können.“ S.12

 

Das Schöne am Lesen ist, dass man tatsächlich nichts weiter braucht, als sich selbst und die Lektüre. Keine weiteren Gadgets, keine teuren Accessoires oder eine bestimmte Kleidung; und dennoch fällt der Blick des Betrachters auch auf die Details um die Leser herum. Wie ist ihre Umgebung, wie könnte ihr Leben aussehen? Man beginnt, sich empathisch in sie hineinzuversetzen, so als würde man eine Geschichte lesen und Stück für Stück eine neue Welt erkunden. Verschiedene Kulturen, verschiedene "Schichten" werden hier nähergebracht und zeigen auf, dass dieser weltverbreitete Drang nach dem Lesen alle Menschen trifft. Es ist wirklich faszinierend wie viel man auf den Bildern entdecken kann. Obwohl es „nur“ sechzig Fotografien sind (auf einer Seite ist jeweils das Bild, auf der anderen der Ort der Aufnahme), kann man nicht bestreiten, dass man Stunden mit dem Betrachten der Bilder verbringen könnte, insbesondere wenn man sich für diese gezielte Darstellung des Lesens interessiert. Was zudem noch ein wirklich großer Pluspunkt des Buches ist, ist sicherlich das zauberhafte Vorwort von Paul Theroux. Seine Liebe zur Literatur bildet ebenfalls den Rahmen für diese einzigartigen Fotos und entfacht in einem selbst, ebenfalls eine erneute Leidenschaft dafür, besondere Bücher und auch Schriftsteller wertzuschätzen. Gleichzeitig findet man darin viele interessante „Literaturtipps“, da Theroux es dem Leser nicht vorenthält, seine Lieblinge unter den literarischen Meisterwerken preiszugeben.

 

"Meine Auffassung von Hölle ist eine Existenz ohne etwas Lesbares, aber meine Hoffnung läge darin, das zu ändern, indem ich etwas schreibe.“ S.8

 

Unfassbar vielseitiger Bildband, der sich mit dem Lesen und dem Leser an sich auseinandersetzt. Zeigt die verschiedensten Umgebungen, Menschen und Einflüsse, wie auch die verschiedenen Positionen in denen man überhaupt lesen kann, auf. Es ist bunt und hält viel mehr für den Betrachter bereit, als auf den ersten Blick ersichtlich. Ergänzt durch das interessante Vorwort von Paul Theroux ist das Buch ein wahres Schätzchen für alle, die sich für das Lesen an sich interessieren und die auch eine Faszination für die kulturellen Unterschiede aufweisen kann (auch wenn alle Motive lesende Menschen sind).