Rezension

Intelligent konstruierter dystopischer Thriller

Die Verratenen
von Ursula Poznanski

Bewertet mit 4.5 Sternen

Irgendwann in der Zukunft, viele Jahre nach der „Langen Nacht“. Die Menschheit ist gespalten, die Privilegierten leben sicher in den Sphären, die Außenbewohner müssen täglich in der Kälte ums nackte Überleben kämpfen. Die Protagonistin Ria ist eine erfolgreiche Studentin einer Elite-Akademie. Sie wird vor allem darin ausgebildet, mit Reden ihr Gegenüber zu überzeugen und notfalls umzustimmen. Sie kann menschliche Gesichtszüge und Gesten lesen wie kein anderer. Als Leser bekommt man die Handlung aus ihrer Sicht präsentiert und ihre scharfsinnigen Analysen gleich dazu. Auf diese Weise erfährt man sehr viele Details über diese dystopische Welt und lernt auch die anderen Charaktere gut kennen. Ria war mir gleich sympathisch, es fiel mir leicht, mich mit ihr zu identifizieren.

Eines Tages belauscht Ria zufällig ein Gespräch zwischen hochgestellten Persönlichkeiten. Es soll Verschwörer unter den Studenten geben, und Ria soll eine der sechs Verdächtigen sein! Es ist beschlossen, diese sechs ohne Prozess und ohne großes Aufheben zu töten. Für Ria bricht eine Welt zusammen, denn sie hat sich noch nie im Leben etwas zuschulden kommen lassen und war dem Regime immer treu ergeben. Aber schon bald muss sie sehen, dass nicht alles so ist, wie man es ihr beigebracht hat. Für sie beginnt ein Kampf ums Überleben, wobei sie keinem Menschen mehr vertrauen kann.

Wie man es von Ursula Poznanski gewohnt ist, geht es auch in diesem Buch gleich spannend los. Der 1. Satz „Ich weiß, dass etwas Furchtbares passiert sein muss, als Tomma den Raum betritt.“ ließ bei mir gleich mal den Adrenalspiegel ansteigen. Und der sank erst wieder, als ich das Buch aus der Hand legte. Es ist durch und durch spannend geschrieben und vermag den Leser zu fesseln. Nach und nach kann man sich ein umfassendes Bild von der dargestellten Welt machen. Sie ist für mich schlüssig aufgebaut. Die Protagonisten handeln in aller Regel logisch und nachvollziehbar und sind mit ihren besonderen Eigenschaften interessant aufgestellt. Als wohltuend empfand ich, dass die Handlung nicht von einer schnulzigen Liebesgeschichte wie in vielen anderen dystopischen Romanen dominiert wird. Das Augenmerk liegt hier mehr auf den Thrillerelementen.

Der erste Band einer Trilogie ist immer etwas schwer zu beurteilen, weil man sich ja noch kein Gesamtbild machen kann. Man sieht noch nicht, ob am Ende alles zusammenpasst und stimmig ist. Da mich dieses Buch mit zu vielen offenen Fragen und damit etwas unbefriedigt zurücklässt, gebe ich vorerst nur 4 von 5 Sternen.