Rezension

Intelligente Chronik eines Konsumverzicht-Selbstversuchs

Ich kauf nix! - Nunu Kaller

Ich kauf nix!
von Nunu Kaller

Wenn Blogs zu Büchern werden legt das meist Zeugnis ab von der Qualität und/oder Aktualität derselben. So auch im Fall von Nunu Kaller, die mit ihrem Blog "Ich kauf nix!" 2012 Furore machte und mit ihrem den Zeitgeist treffenden Thema immer mehr konsumkritische Leser und solche die es werden wollen anzog - so auch mich. Durch Suche im Internet nach den Themen "kein Kleiderkauf" und "Konsumdiät" landete ich auf dem Blog "Shoppingdiät" einer Münchner Moderedakteurin, die auch sehr bald Nunus Experiment ("Ich kauf nix!"), das um 15 Tage zeitversetzt war, verlinkte. Ich verfolgte beide Blogs mit großem Interesse, auf beiden wurde das Thema "1 Jahr ohne den Kauf von neuer Kleidung & Schuhen" auf unterschiedliche Weise verarbeitet. Nun gibt es "Ich kauf nix!" also als Buch, zumindest von der Vorgeschichte bis zum Ende des Experiments, denn der Blog von Nunu Kaller wird glücklicherweise weitergeführt - immerhin ist es auch interessant wie es nach dem Ende der "Diät" weitergeht und wie sich ihr Konsumverhalten geändert hat.
Konsumverhalten - das (war und ist) für Nunu K. aus Wien, Anfang 30, in einer Umweltorganistation tätig und mit einem lieben, aber nicht gern einkaufenden Freund gesegnet, das Reizwort. Zumindest fiel ihr Ende des für sie schweren Jahres 2011 auf, dass sie sich immer öfter neue Kleidung beim "Textilschweden" (ein schöner, von Nunu geprägter Neologismus für eine Kette, die wir alle kennen) & Co. gekauft hat - um sich abzulenken, zu belohnen oder einfach so weil es auf dem Weg von der Arbeit nach Hause lag. Kleidung ist in der heutigen Zeit immer mehr zur billigen Massenware verkommen, die wir schnell konsumieren und schnell wieder in die Verwertungskette ausscheiden. Qualität war gestern - scheinbar. Dass ein Umdenken erfolgen muss und man wieder hin zum "weniger ist mehr und hält länger" sollte hat sich Nunu nun gedacht und beschlossen ab dem 16.01.2012 (ein Urlaub in Spanien mit Zugang zu reduzierten Klamotten vom "bunten Spanier", ebenfalls ein Nunu-Neologismus, hat verhindert, dass sie nicht am 1.1. damit angefangen hat) für ein Jahr keine neue Kleidung mehr zu erwerben. Für manche vielleicht ein Kinderspiel, für einen "Shopaholic" eine große Herausforderung (scheinbar).
Nunu Kaller schafft es mit ihrer tagebuchartigen "Chronik des Verzichts" den Leser zu informieren und gleichzeitig zu unterhalten. Sie erzählt einerseits - mit viel ihr eigenem Wiener Schmäh - ihre eigene, privilegierte Situation als Konsumentin, die es sich leisten kann zu kaufen - und eben nicht (mehr) zu kaufen, von ihren Erfolgen, D(o)I(t)Y(ourself)-Versuchen und Rückschlägen und streut immer wieder das ein, was sie für sich in dem Jahr des Konsumverzichts recherchiert hat. Da geht es dann natürlich vor allem um die menschenunwürdigen Zustände der Näherinnen in Asien, um die schlechte Situation der Baumwollbauern und um das, was wir mit unserer Kauf- und Wegwerfmentalität anrichten und welche Auswirkungen dieser ganze Kleiderkreislauf auf Mensch, Tier und Umwelt hat. Auch um die Alternativen geht es, denn Nunu will neben ihrer Eigenenproduktion von Kleidung nach dem Jahr weiter konsumieren - aber öko und fair und nur noch dann, wenn sie wirklich etwas braucht (was ihr sympathischer Weise im Fall von Schuhen, besonders braunen Stiefeln, sehr schwer fällt).
Im Grunde kann man dieses Buch allen empfehlen die Zuviel im Schrank haben, zu oft beim "Textilschweden" kaufen, aber eigentlich auch allen anderen, die wieder hin zur Qualität und weg vom Konsumwahn wollen! Eigentlich kann man dieses Buch allen kritischen KonsumentInnen (und solchen die es werden wollen), PartnerInnen von Shoppingmuffeln, Wienaffinen und "tolle Sachbücher im Tagebuchstil-Mögenden" empfehlen - und allen anderen auch!