Rezension

Intensiv und beklemmend

The Hurting - Lucy van Smit

The Hurting
von Lucy van Smit

Bewertet mit 4.5 Sternen

>> Sein schwarzes Haar riecht nach Lagerfeuer, Wildnis und teurer Seife. Sein Gesicht kann in einem Moment vor Lachen sprühen, im nächsten werden seine Augen dunkel, als hätte sich eine Wolke vor die Sonne geschoben. Dann zieht die Wolke vorüber, und Lukas strahlt wieder. >>
Eine abgründige, dunkle Liebe.... 
Nell hat es nicht leicht. Seit ihre Schwester an Krebs erkrankt ist, verfällt der Vater immer mehr einem religiösen Wahn. Er sieht sich nicht nur selbst als Heiler, nein, er packt seine beiden Töchter ein und zieht mit ihnen nach Norwegen um in der Abgeschiedenheit der Fjorde eine neue Therapy für Helen auszuprobieren. 
Die Mutter hat die Familie schon vor Jahren verlassen und Nell würde alles für ihre große Schwester tun; nur ihren Plan zurück nach England auf eine Musikschule zu gehen, kann sie nicht aufgeben. Als sie sich für einen Vorspieltermin wegschleicht, trifft sie auf Lukas und das Unheil nimmt seinen Lauf. Dunkel, attraktiv, faszinierend und irgendwie wild, verfällt sie dem Jungen im Wolfsmantel mehr und mehr. Doch der verfolgt seinen eigenen düsteren Plan.... 
Woow, keine alltägliche Geschichte und auch keine leichte Kost, die Lucy van Smit ihren Lesers präsentiert. Dafür eine sehr kraftvolle und starke, die dich wie ein dunkler Bann immer tiefer in ihre Abgründe zieht. 
Intensiv, düster, beklemmend.... "The Hurting" lebt von seiner unheimlich dichten Atmosphäre, dem Charakter Lukas und der rauen, einsamen Landschaft Norwegens. Ja. ein bisschen wie Emily Brontes "Sturmhöhe" und doch so ganz anders. Und man darf auch nicht außer Acht lassen, dass wir es hier mit einem Jugendbuch zu tun haben. 
Dennoch sind die Charaktere schon sehr ausgefeilt angelegt und lassen bei Nell und Lukas tief in die Seele blicken. Grade bei Nell werden einem die Schuldgefühle und die Manipulationen ihrer Schwester sehr bewusst. Und bei Lukas kann man zumindest ansatzweise erahnen, wie er auf diesen kranken (und durch nichts zu rechtfertigen) Plan gekommen ist. Es sind sperrige, interessante Charaktere, aber je länger man mit ihnen verbringt, desto mehr respektiert man Nell und ihre Familie. 
Die Autorin hat einen wunderbaren, prägnanten Schreibstil. Sehr bildhaft, manchmal fast schon poetisch und von ergreifender aber auch beängstigender Emotionalität. Man muss sich auf die Geschichte einlassen. Mir jedenfalls ging sie stellenweise (für ein Jugendbuch) ganz schön unter die Haut. 
Fazit: "Nordic Noir trifft auf Brontes Sturmhöhe!" ein Slogan, der mich als großer Fan von Cathy und Heathcliff nicht nur neugierig gemacht hat, sondern den ich vielleicht auch als etwas zu hoch gegriffen fand. Doch ich muss gestehen, Lukas kann es durchaus mit Heathcliff aufnehmen. Ein tolles Buch, das mit Sicherheit nicht jeden Geschmack trifft. Aber ein muss für alle, die sich auch gerne mal von außergewöhnlichen, nicht in eine Norm passenden Charakter einlassen können.