Rezension

Intensiver Sprachstil von der ersten bis zur letzten Seite

Das Gewicht des Himmels - Tracy Guzeman

Das Gewicht des Himmels
von Tracy Guzeman

Die Handlung beginnt in den 1960er Jahren, als Alice noch ein junges Mädchen ist und den noch unbekannten Künstler Thomas Bayber kennen lernt. Sie ist sofort von ihm fasziniert und auf ihre unbeholfene, naive Art einer Dreizehnjährigen versucht sie in seiner Nähe zu sein. Sie betrachtet ihn beim Malen, redet mit ihm über Kunst und Literatur.So entsteht eine Freundschaft zu dem fast 15 Jahre älteren Mann. Doch auch ihre ältere Schwester scheint sich für ihn zu interessieren.
Es folgt ein Zeitsprung in die Gegenwart. Der heute greise Bayber lebt verbittert und einsam in seiner kleinen New Yorker Wohnung. Armut und Schulden sind seit Jahren neben Professor Finch seine einzigen Gefährten. Diesem letzten Freund oder eher treuen Bewunderer seines Oeuvre bittet er um einen letzten Gefallen: Er zeigt ihm ein Bild der beiden Schwestern und sich selbst, dass er seit den 60ern unter Verschluss gehalten hat. Er bittet Finch die beiden zugehörigen Bilder zu finden und seinem Werkkatalog beizufügen. Dass hinter diesem Wunsch eigentlich noch ein viel größeres Geheimnis als die Motive der verschollenen Bilder steckt, wird dem alten Freund erst nach und nach klar. Je tiefer er in die Geschichte um die beiden bemerkenswerten Frauen eindringt.

Nach wenigen Sätzen war ich in der Geschichte drin und wollte das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Der Erzählstil hatte für mich eine solche Intensität, dass ich immer noch recht sprachlos bin. Kennt ihr dieses Gefühl, wenn euch ein Buch einfach nur gut gefallen hat? Was soll man dazu groß sagen? Es ist toll! Man bekommt einen Einblick in künstlerische Schaffensprozesse, ein netter Nebeneffekt. Die Handlung hat mir gefallen, sie war nicht wirklich vorhersehbar, typische Figuren und Klischees werden vermieden.

Cover: Ich finde das Cover wunderschön. Es greift wunderbar das Leitmotiv des Vogels auf. Alice ist leidenschaftliche Ornithologin und auch auf den Bildern Baybers finden sich immer Vogelfiguren. Darum finde ich auch den Originaltitel "The Gravity of Birds" wesentlich passender. Warum man hier unbedingt "Himmel" in den Titel einfügen musste, bleibt mir rätselhaft. Soll das auf eine romantische Thematik hinweisen? Meh! Unnötig, aber leider typisch.

Stil: Die Handlung springt zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart hin und her. Die Handlungsstränge nähern sich dabei immer mehr dem Geheimnis der Schwestern und dem Verbleib der Bilder an. Der Stil ist leicht und unglaublich angenehm, man kann ohne Weiteres den verschiedenen Figuren auf ihrer Suche folgen. Die Sprache ist bis zu einem gewissen Grad poetisch und bildreich, aber nicht schwülstig oder gar kitschig. Einfach schön.

Fazit: Ich bin immer noch sehr berührt von diesem Buch. Es hat mir unglaublich gut gefallen und ich kann es nur jedem ans Herz legen, der Romane mit Vergangenheitsbewältigung ohne viel Tamtam oder zu viel Gefühlsduselei mag. Ich bin sehr dankbar, dass ich dieses Buch lesen durfte, denn bei der Vielzahl an Neuerscheinungen wäre mir dieses feine, poetische Buch vielleicht gar nicht aufgefallen.