Rezension

Intensives und faszinierendes Familiendrama ​

Kleine Feuer überall
von Celeste Ng

Bewertet mit 5 Sternen

Intensives Familiendrama mit faszinierenden Figuren und Dynamiken, in dem nichts und niemand schwarz-weiß ist ​

Inhalt

Shaker Heights ist die perfekte Nachbarschaft für die perfekten Menschen: Gut betuchte Familien, Eltern mit gut bezahlten Jobs, Vorzeigekinder. Doch unter der Oberfläche brodelt es.
Als Familie Richardson eine Wohnung in ihrem Zweithaus an die alleinerziehende Mia und ihre Tochter Pearl vermietet, stellt dies das Leben der Familie gehörig auf den Kopf. Mias unkonventioneller Lebensstil bringt in den Richardsons verborgene Träume und Ängste hervor und auch Mia selbst hütet so manches Geheimnis.

Meinung

Was für ein Buch! Wer Ngs ersten Roman, „Was ich euch nicht erzählte“, mochte, wird von „Kleine Feuer überall“ sicherlich ebenso begeistert sein.
Wie auch „Was ich euch nicht erzählte“ beginnt „Kleine Feuer überall“ mit einer Katastrophe für eine Familie: Izzy Richardson, das jüngste Kind der Familie, hat in den Schlafzimmern des Hauses Feuer gelegt und es so niedergebrannt. Anschließend springt die Erzählung etwa ein Jahr zurück und erzählt aus Sicht verschiedener Figuren, wie es zu einer solchen Eskalation kommen konnte. Auch in diesem Roman werden dabei wieder vor allem die Lebensgeschichten und das Gefühlsleben der Figuren beleuchtet und weniger Wert auf eine stringente Handlung gelegt.
Celeste Ng gelingt es wieder auf herausragende Weise, aus einer zu Beginn des Romans noch schockierenden, unverständlichen Tat am Ende ein nachvollziehbares Zusammenspiel der Dynamiken zwischen sehr unterschiedlichen Menschen zu machen.
Dabei nimmt sie geschickt die Wunschvorstellung der heilen Welt und perfekten Familie auseinander und spricht verschiedene Probleme an, die bei den Richardsons und ihren Mitmenschen unter der Oberfläche brodeln.
Es geht um typische Jugendthemen wie die erste Liebe und Frust über die eigene Familie, um den Konflikt zwischen Eltern und Kind, das Gefühl, dass einem das eigene Kind entgleitet, und um die Konfrontation mit den eigenen Wünschen und Ängsten, die einen aus der sorgsam aufgebauten Illusion der heilen Welt werfen kann. Ng zeigt, wie schwer es sein kann, als einzige Person in einer Familie „anders“ zu sein, weil sich alle um einen herum bereits an ein bestimmtes Bild von einem gewöhnt haben. Auch Vorbilder und die Tatsache, dass man sich diese manchmal außerhalb der eigenen Familie sucht, spielen eine Rolle.
Die zentrale Rolle spielt hier, wie auch schon in „Was ich euch nicht erzählte“, der Mutter-Tochter-Konflikt, in dem beide sehr unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was für die Tochter das Beste ist.
Dabei gelingt es Ng wunderbar, keine der Figuren zu „Guten“ und „Bösen“ zu machen. Alle haben sie ihre Facetten und man kann ihre Handlungen zwar nicht immer gutheißen, aus ihrer Biografie heraus jedoch nachvollziehen. Auf diese Weise kann man zu ihnen schnell eine Verbindung aufbauen und erlebt all ihre Emotionen, von Freude bis Verzweiflung, intensiv mit, was einen mitunter auch sehr mitnehmen kann.
So vieles ist kaputt in der Beziehung der Richardson, dass man sich am Ende danach sehnt, die Autorin würde einem versichern, dass alles gut wird. Doch man ahnt schon, dass das nicht realistisch wäre, und dementsprechend offen aber passend ist das Ende des Romans.

Fazit

„Kleine Feuer überall“ ist ein emotional intensiver, dramatischer Roman über eine scheinbar perfekte Familie, deren Fassade auseinanderfällt. Er konzentriert sich überwiegend auf die facettenreichen, gut ausgearbeiteten Figuren und fasziniert durch die spannende Dynamik zwischen den Charakteren.