Rezension

Interessant aufgebaute Biographie

Der alte Fritz - Tom Goeller

Der alte Fritz
von Tom Goeller

Bewertet mit 4 Sternen

Portrait einer widersprüchlichen Persönlichkeit

"Zum Wohl der Menschheit muß jeder das Seine tun."

Von den einen gefeiert, von den anderen verdammt – wenn eine der bekanntesten Figur der deutschen Geschichte am meisten polarisiert, dann Friedrich II, auch Friedrich der Große oder der Alte Fritz genannt. So widersprüchlich auch sein Charakter gewesen sein mag, war er an erster Stelle ein Mann mit vielen Facetten: erfolgreicher Feldherr, musischer Schöngeist, geistreicher Philosoph, Aufklärer und Machtmensch. Anlässlich seines 300. Geburtstages erschienen einige Biographien - so auch Tom Goellers 'Der Alte Fritz'.

Mit seinem Buch schafft der Autor eine gute Übersicht über das Leben und Wirken des Mannes, der ab 1740 in und ab 1776 König von Preußen war. Das Besondere an diesem Buch liegt nicht allein im Aufbau des Buches begründet, sondern ebenfalls darin, dass der Autor selten Stellung bezieht – er trug allerlei Meinungen über den Regenten zusammen und lässt somit überwiegend andere zu Worte kommen. Indem Goeller bspw. Politiker zu Friedrichs Bedeutung befragte, wagt er den Sprung ins Heute: Was kann u.a. von ihm gelernt werden? Somit beschreitet Goeller einen neuen Weg der Biographieschreibung, was angesichts der historisch gewählten Persönlichkeit nachvollziehbar ist, befasste Friedrich sich bereits damals mit Themen, die nicht aktueller sein könnten: Folterverbot, Krieg als Mittel der Außenpolitik, Pressefreiheit, Kindestötung, Toleranz und Offenheit gegenüber Einwanderern und deren Religionen.

"Die Religionen Müsen alle Tolleriret werden und Mus der fiscal nuhr das auge darauf haben, das keine der andern abruch Tuhe, den hier mus ein jeder nach Seiner Fasson Selich werden."

(An dieser Stelle sei noch angemerkt, dass Friedrich äußerte, er sei – ganz im Stile des Adels – mehr der französischen als der deutschen Sprache mächtig.)

Die Biographie legt den Schwerpunkt auf drei Kategorien: Mensch, Monarch und Mythos. Unter dem Gesichtspunkt 'Mensch' erfährt der Leser ausführlich von Friedrichs schwierigen Kindheit, wurde er doch von seinem Vater, Friedrich Wilhelm I, brutal gegängelt, aufgrund seines aufsässigen Verhaltens (Friedrich nahm u.a. heimlich Flötenunterricht) inhaftiert und beinahe ermordet. Der bspw. aufgeführte Tagesablauf des jungen Friedrichs gewährt einen guten Einblick in die strenge Erziehung des Vaters. Auf dessen Geheiß wurde sogar Friedrichs enger Freund und Vertrauter Hans Hermann von Katte hingerichtet – und das vor den Augen Friedrichs!Des Weiteren thematisiert Goeller Friedrichs Beziehung zu anderen: Friedrichs Schwestern, Brieffreunde, seine erste Liebe, Friedrichs Gemahlin und Weggefährten (u.a. Voltaire). Auch Friedrichs Begeisterung für Philosophie und Musik kommt hier zum Tragen; so war mir bspw. nicht bewusst, dass die spanische Nationalhymne auf eine von Friedrichs Kompositionen zurückzuführen ist. Im Gegensatz zu den Spekulationen, Friedrich sei homosexuell gewesen, legt Goeller übrigens Wert darauf, ihn als Frauenfreund darzustellen.

Unter der Kategorie 'Monarch' thematisiert Goeller u.a. gut verständlich die Kriege um Schlesien und Friedrichs Feldzüge; auch seinen Feinden, wie bspw. die Hochkonkurrentin Maria Theresia, wurde ein eigenes Kapitel gewidmet. Da Friedrich sich selbst als „erster Diener des Staates“ bezeichnete und sah, erfährt der Leser einiges über Friedrichs Reformen, Taten und Gedanken zu Volk, Moral und Recht. Im Kapitel 'Der Traum eines Einsamen: Sanssouci' kommt Friedrichs Bescheidenheit und Wunsch nach Einsamkeit, in kleiner Runde musizieren und philosophieren zu können zum Tragen. Inwiefern Friedrich an der Amerikanischen Revolution beteiligt war, ist auch hier nachzulesen, ebenso die Reaktion des Volkes auf Friedrichs Tod.

Hat der geneigte Leser sich bis dahin ein Bild von Friedrich gemacht, folgt unter 'Mythos' die Auffassung und Missbrauchs Friedrichs - angefangen von den Nazis bis zur DDR – und der Frage: Wo beginnt die Glorie, wo endet die Legende?

Goellers Sprache ist flott und weist eine gute Leserlichkeit auf; für meinen Geschmack bediente er sich jedoch allzu oft einem Plauderton, wie bspw. „[...] ist sie tatsächlich voll in ihn verknallt.“, der mir nicht zusagte. Wer bislang das Gefühl hatte, Biographien weisen für seinen Geschmack eine „verstaubte Sprachstarre“ auf, ist hiermit sicherlich gut bedient. Ach ja: Da Friedrich sich einer anderen Schriftsprache als der heutigen und überwiegend dem Französischem bediente, sind die Zitate entweder komplett oder ergänzend übersetzt.

Hingegen dazu gefiel mir, dass der Autor meiner Meinung nach bemüht war, eine recht neutrale Biographie ohne Glorifizierung zu schreiben, sprich, das „kleine“ aus dem „großen“ Friedrich herauszusieben. Goeller beleuchtet ebenfalls Schattenseiten. Dies hatte zur Folge, ein lebendiges Bild von Friedrich zu erhalten. Bemerkenswert fand ich außerdem, wie viele Briefe und dergleichen der Autor einbaute. Obgleich dies für eine ausführliche Recherche spricht, möchte ich jedoch nicht unerwähnt lassen, dass Goeller kein Historiker, sondern ein freier Journalist ist. Aus reinem Interesse und persönlicher Neugierde werde ich irgendwann noch eine andere Biographie zum Vergleichen lesen. Für mich nämlich blieben viele Fragen, die mir beim Lesen kamen, offen (ob bspw. Friedrichs grausame Erfahrungen in der Kindheit/Jugend zu seiner späteren Risikobereitschaft geführt haben könnten). Goeller überlässt viele Schlussfolgerungen dem Leser, was natürlich ebenfalls seinen Reiz hat. Somit ist 'Der Alter Fritz' für mich ein Anstoß, um mehr über den Preußenkönig zu lesen und zu erfahren.

Wer einen Einblick in Friedrichs Schaffen, Wirken und Nachhall lesen möchte, kein Problem mit einem durchsickerten Plauderton hat und keinem strickt chronologischem Verlauf scheut, dem sei diese Biographie empfohlen. Über Empfehlungen würde ich mich wiederum sehr freuen!

„Vom Alten Fritz, dem Preußenkönig, / weiß man zwar viel, doch viel zu wenig. / So ist zum Beispiel nicht bekannt, / dass er die Bratkartoffeln erfand! / Drum heißen sie – das ist kein Witz: / Pommes Fritz!“ (Heinz Erhardt)